© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Feierstimmung bei den Freiheitlichen
Nationalratswahl Österreich: Während SPÖ und ÖVP weiter an Stimmen einbüßen, konnte sich die FPÖ steigern / Achtungserfolg für Neo
Hans Becker von Sothen

Die Stimmung war ausgelassen. „HC, HC, HC!“ skandierten die FPÖ-Anhänger, als ihr Parteivorsitzender Heinz-Christian („HC“) Strache im Festzelt am Wiener Rathausplatz auftauchte. Feierstimmung bei den Freiheitlichen: Mit einem Plus von knapp vier Prozent erzielten die Freiheitlichen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 21,4 Prozent der Stimmen in Österreich.

Strache zeigte sich „berührt“ und unterstrich das „großartige“ Resultat. Angesichts der erneuten Stimmverluste der Großkoalitionäre sprach der FPÖ-Chef vom Ende der Dominanz der SPÖ und prognostizierte einen weiteren Zerfallsprozeß von Sozialdemokraten und bürgerlicher ÖVP.

In der Tat hat das Wahlergebnis zum Nationalrat in der politischen Landschaft Österreichs kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Mit dem anfänglich etwas schräg wirkenden Motto „Liebe deinen Nächsten – für mich sind das die Österreicher“ hat Strache durchaus Erfolg gehabt.

Aus Protestwählern sind inzwischen FPÖ-Stammwähler geworden. Bei den unter 25jährigen liegt die FPÖ zusammen mit den Grünen mit je 25 Prozent vorn, weit vor SPÖ und ÖVP. Vor allem aber bei Arbeitern und kleinen Angestellten – eigentlich die Kernwählerschaft der Sozialdemokraten – liegt die FPÖ mit inzwischen 34 und 25 Prozent weit vor der alten Arbeiterpartei. In Kärnten hat sich die FPÖ mit 18,6 Prozent als zweitstärkste Kraft des Landes wieder festigen können. In der Steiermark ist sie erstmals stärkste Kraft geworden.

Die beiden Großparteien sind die Verlierer des Abends. Die Gewinne der FPÖ aber rühren weniger von den Verlusten von Sozialdemokraten und Volkspartei, sondern zumeist von dem nun eingetretenen Zusammenbruch der alten Haider-Gründung, des „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ).

Die jahrelange bedrohliche Spaltung des freiheitlichen „Dritten Lagers“ in Österreich hat damit ihr Ende gefunden. Den Resten von Haiders „Buberlpartie“ fehlten zum Schluß schlicht die politischen Alleinstellungsmerkmale. Ihr Spitzenkandidat Josef Bucher galt zwar als persönlich integer, jedoch auch als etwas fad. Für die Wirtschaft war sie kein Ansprechpartner, für Liberale hatte sie die falsche Vergangenheit, und Freiheitliche wählten lieber das Original.

Das Team Stronach hat sich mit 5,2 Prozent eine nicht ganz überraschende Ohrfeige vom Wähler abgeholt. Noch vor einigen Monaten hatten die Umfragen bei 15 Prozent und mehr gestanden. Bei den Landtagswahlen in Kärnten, Niederösterreich im März und in Salzburg im Mai holte die Partei noch um die zehn Prozent. Und Stronachs Partei war es schließlich auch, die den geplanten Kanzler-Wahlkampf zwischen Strache und Kanzler Faymann verhinderte.

Ursachenforschung für das bescheidene Ergebnis muß der kanadische Milliardär nicht lange betreiben. Er hat sich mehrfach selbst ein Bein gestellt. Seine TV-Auftritte waren zum Teil so skurril, unverständlich und sich selbst widersprechend, daß die Umfrageergebnisse für seine Partei nach jedem seiner Fernsehinterviews signifikant sanken.

Daß das jetzige Wahlergebnis trotz der von „Fränk“ für den Nationalratswahlkampf mindestens eingesetzten 25 Millionen Euro so schlecht ausfällt, hat die Partei geschockt. Irgend jemand, so heißt es in Stronachs Parteizentrale, werde nun wohl den Kopf dafür hinhalten müssen und, so war zu vernehmen, „das wird sicher nicht Frank selber sein“. Wie Stronach seine bunt zusammengewürfelte Truppe so durch die Fährnisse des Polit-Alltags führen und zusammenhalten will, bleibt sein Geheimnis.

Am meisten hat der Wahlabend jedoch die ÖVP durcheinandergewürfelt. Sie trifft das Wahlergebnis weitaus härter, als es ihre Verluste von 2,2 Prozent zunächst vermuten lassen. Die jüngeren, urbanen bürgerlichen Schichten, die nicht mehr so tief im katholischen Glauben verwurzelt sind – etwa in den wohlhabenden Bezirken Wiens –, beginnen der ÖVP und auch den Grünen in Massen wegzulaufen. Sie finden in den wirtschaftsliberalen und politisch korrekten „Neos“ offenbar zunehmend eine neue Heimat. Sie erhielten 4,8 Prozent und kommen bei einer Vier-Prozent-Hürde mühelos im ersten Anlauf ins Parlament. Ihr Parteichef Matthias Strolz gibt sich unbescheiden: „Ein Jahrhundertprojekt ist gelungen!“ Ein Projekt, das den Grünen und der ÖVP in den kommenden Jahren noch jede Menge Kopfzerbrechen bereiten wird. Auch dann noch, wenn die FPÖ die Reste des BZÖ und der Stronach-Partei längst wieder aufgesogen haben wird.

Foto: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Kreis seiner Parteifreunde: „Berührt“ vom „großartigen“ Ergebnis

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen