© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

James Bond, wie er wirklich war
Unterhaltungsliteratur: Der Verlag Cross Cult läßt den britischen Geheimagenten 007 in neuem Gewand wiederauferstehen
Ansgar Lange

Jeder kennt James Bond. Insbesondere die Verfilmungen der Abenteuer des britischen Geheimagenten mit der Nummer 007 gehören zum kulturellen Allgemeingut. Ständig laufen Wiederholungen im Fernsehen. Und DVDs stehen natürlich auch en masse zur Verfügung.

Der eigentliche James Bond, wie er der Phantasie seines Schöpfers Ian Fleming (1908–1964) entsprang, hat jedoch nicht viel mit dem Bond gemein, wie er von Sean Connery, Roger Moore oder Pierce Brosnan auf der Leinwand dargestellt wurde. Er war rauher, brutaler, weniger gentlemanlike, nicht so witzig und elegant. Es lohnt sich, den britischen Geheimagenten im Rohzustand kennenzulernen – so wie Fleming ihn schuf.

Glücklicherweise besteht nun die Gelegenheit dazu. Der in Ludwigsburg ansässige Verlag Cross Cult hat pünktlich zum fünfzigjährigen Jubiläum der Filmreihe im letzten Jahr damit begonnen, eine auf 14 Bände angelegte James-Bond-Bibliothek herauszubringen, die sich an der Chronologie der Originalveröffentlichungen orientiert. Aktuell liegen alle Bände bis einschließlich Band 9 „Feuerball“ vor. Endlich gibt es die Gelegenheit, die Romane in ungekürzten Übersetzungen und mit den ursprünglichen Kapitelüberschriften zu lesen.

Nicht nur James-Bond-Aficionados, sondern hoffentlich auch viele neue Leser werden es dem 2001 mit dem Schwerpunkt auf Comics gegründeten Imprint des Grafikstudios Amigo Grafik danken. Der erste Band der Reihe „Casino Royal“ kostet 11,80 Euro, alle weiteren Bände sind einen Euro teurer. Michael Gillette hat die schönen Titelbilder der Reihe im Fünfziger-Jahre-Retro-Stil gestaltet.

„Es war ein ernstes Gesicht mit gleichmäßigen Zügen. Auf der gebräunten Haut der rechten Wange war eine etwa sieben Zentimeter lange Narbe zu sehen. Die großen und geraden Augen lagen unter glatten, recht langen schwarzen Brauen. Das schwarze Haar war links gescheitelt und so gekämmt, daß eine dicke schwarze Strähne eine Art Komma über der rechten Augenbraue bildete.“ Mit diesen Worten beschreibt Fleming in „Liebesgrüße aus Moskau“ den 1,83 Meter großen und 76 Kilogramm schweren Helden mit dem Laster „Alkohol, aber nicht im Übermaß, und Frauen“.

Fleming hat einige seiner eigenen Interessen und Vorlieben auf sein Geschöpf übertragen. Und so schätzen beide Reisen, Autos, Gold, Skilaufen, Bridge und Essen. Daß Bond ebenfalls ein großer Sammler von Büchern und Pornographie gewesen wäre, ist hingegen nicht bekannt.

Für seinen Erstling brauchte Fleming nur zwei Monate

Fleming ist auch als Autor eine interessante Figur. Er hat kein langweiliges Leben geführt, sondern ein spannendes und anstrengendes. Zu viele Zigaretten und Drinks, anstrengende Reisen und vielleicht auch ein ausschweifendes Liebesleben haben ihn relativ früh, am 12. Geburtstag seines einzigen Kindes Casper, ins Jenseits befördert.

Ian Fleming war der Sohn eines im Ersten Weltkrieg gefallenen Unterhausabgeordneten der Konservativen Partei. In jungen Jahren war er ein begeisterter und guter Sportler. Später betrieb er vor allem Golf und Hochleistungssex mit häufig wechselnden Geliebten. Bei der Nachrichtenagentur Reuters lernte der gutaussehende Fleming das Handwerk des Schreibens. Für seinen Erstling „Casino Royal“ brauchte er nur zwei Monate. Bevor er im fortgeschrittenen Alter von Mitte Vierzig zum Autor von Spionageromanen wurde, verdiente er sein Geld als Börsenmakler und machte reichlich Spionage-Erfahrungen als Assistent von John Godfrey, dem Chef des Geheimdienstes der britischen Navy.

Flemings Bücher sind immer noch spannend zu lesen. Die Sexszenen erscheinen aus heutiger Sicht zwar harmlos. Doch in den 1950er Jahren waren sie es nicht. James Bond schläft mit Frauen aus purem Vergnügen, nicht aus Liebe oder zum Zweck der Familienplanung. Kein Wunder, daß der Frauenheld John F. Kennedy „Liebesgrüße aus Moskau“ als eines seiner Lieblingsbücher bezeichnete. Der Verkauf der Bond-Bücher hat von diesem präsidentiellen Votum stark profitiert.

Fleming und James Bond ging Großbritannien über alles. Dem Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz zufolge besteht der ursprüngliche atmosphärische Reiz der Thriller Ian Flemings „gerade darin, daß er mit scharfer Beobachtungsgabe, dies verbunden mit blendender und vielfach grausamer Phantasie, das unverwechselbare Zeitklima der fünfziger Jahre erfaßt hat“. Schwarz nennt Fleming einen „sehr insularen Briten, der in erster Linie ein Snob von hohen Graden gewesen ist“.

Bonds Welt kennt wenig Zwischentöne

Der deutsche Krimi-Experte Martin Compart, Jahrgang 1954, hat auf verschiedene andere unangenehme Eigenschaften des Meisterspions (und damit zugleich auch seines Schöpfers) hingewiesen. Er sei Rassist und Chauvinist. Sätze wie „Beim Töten zeigen die Russen nicht viel Feingefühl. Sie lieben Massenmörder“ oder „Die Russen sind alle gleich“ können als Ausdruck von Flemings Xenophobie gelesen werden.

Unfreiwillig komisch hingegen wirken Sätze wie „Er konnte Fingerspitzen sehen, die die Bettdecke über das Gesicht hielten. Weiter darunter wölbten sich Brüste wie schneebedeckte Hügel“ – die Prosa eines Lore-Romans.

Es ist verwunderlich, warum sich deutsche Gesinnungskontrolleure noch nicht an zum Beispiel folgender Passage gestört haben, die eine Fahrt Bonds mit dem Orientexpreß beschreibt: „Er stand vom Bett auf. Wenigstens würden sie bald aus diesen verdammten Balkanstaaten heraus und in Italien sein. Und dann in der Schweiz und in Frankreich – unter freundlichen Menschen, fern von diesen hinterhältigen Ländern.“ James Bonds Welt kennt halt wenig Zwischentöne.

Und so werden Flemings Romane weder Literaturliebhaber noch naive Ich-liebe-alle-Menschenfreunde begeistern, wohl aber all jene, die einen guten Thriller zu schätzen wissen – und intelligent genug sind, um ihn als Produkt seiner Zeit mit all ihren Neigungen, Werten und Vorurteilen zu lesen.

Wen die Götter vernichten wollen, den schlagen sie zuerst mit Langeweile. Ian Fleming hat sich dieses Verbrechens nicht schuldig gemacht.

www.cross-cult.de

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