© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Beim Stahlkonzern ThyssenKrupp geht es um die Existenz
Hopp oder Top Markus
Brandstetter

Wer den Zwischenbericht des ThyssenKrupp-Konzerns vom 18. August dieses Jahres liest, der gewinnt den Eindruck, daß alles prächtig läuft. Das Portfolio wurde optimiert, investiert wird ausschließlich in Wachstumsfelder, ein Konzernprogramm zur Steigerung der Effizienz (Impact 2015) ist auf einem guten Weg, die Kosten sinken. Über allem schwebt zeitgeistig der „Fokus auf Governance und Compliance“ – was immer damit gemeint sein mag.

Das einzige, was man zwischen all den Euphemismen, Gummibegriffen, den wohlfeilen Anglizismen und trendigen Lippenbekenntnissen zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz vermißt, ist eine Information dazu, daß der ganze Konzern, neben all den Erfolgen und den ungeheuer guten Zukunftsaussichten, so ganz nebenbei am Abgrund steht.

Der Aktienkurs fiel seit 2007 von 46 auf 17 Euro. Anleger verloren mehr als das Zweieinhalbfache ihrer Investition, eine Dividende wurde 2012 nicht gezahlt. Umsätze und Mitarbeiterzahl sinken, das Ergebnis nach Steuern bewegt sich tief in den roten Zahlen. Besonders alarmierend ist die rapide Abnahme des Eigenkapitals und die sich daraus errechnende Eigenkapitalquote. Diese liegt im Industriedurchschnitt bei 20 Prozent, auch ThyssenKrupp konnte diesen Wert bis 2011 gerade noch einhalten; im Geschäftsjahr 2012/13 jedoch ist die Eigenkapitalquote auf 9,3 Prozent abgestürzt, während die Fremdkapitalquote, also der Teil vom Gesamtkapital, den das Unternehmen sich bei Banken und Kreditgebern am freien Markt leihen muß, auf exorbitante 90 Prozent angestiegen ist. Der Konzern ist nunmehr von Finanzinstituten vollkommen abhängig.

Die Wirtschaftswoche berichtete unter Berufung auf Finanzkreise, daß ein Konsortium kreditgebender Banken sich darauf geeinigt habe, Thyssen­Krupp weiter Kreditlinien über 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, die man Ende September jedoch auch hätte kündigen können, da die Verschuldung des Konzerns über den in den Vertragsbedingungen (Convenants) festgelegten Wert gestiegen ist.

Natürlich könnte das Unternehmen im Rahmen einer Kapitalerhöhung frische Aktien ausgeben, aber das wird erst funktionieren, wenn die Steel Americas, zwei hochdefizitäre Stahlwerke in Brasilien und Alabama, endlich verkauft sind (JF 51/12). Mit diesen gigantischen Fehlinvestitionen hat ThyssenKrupp bis heute unglaubliche zwölf Milliarden Euro verbrannt. Seit Jahren sollen sie deshalb unter Wert abgestoßen werden. Immer wieder hat der Konzern potentielle Käufer gewissermaßen um die Ecke gewähnt, nur geklappt hat es nie.

Erst wenn dieser Notverkauf über die Bühne ist und die dann notwendigen Sonderabschreibungen von mehr als drei Milliarden Euro in der Bilanz absorbiert sind – was mindestens eine vollkommen verhagelte Konzernbilanz bedeutet –, kann es mit dem Stahlkonzern wieder aufwärtsgehen.

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