© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Der Spielverderber setzte sich durch
Volksbegehren im Tessin: Der Einzelkämpfer Giorgio Ghiringhelli streitet erfolgreich für ein Burkaverbot / Signalwirkung für die Schweiz
Johannes Schüller

Die hohe Quote kam dann doch etwas überraschend. 65,4 Prozent der Bewohner des Schweizer Tessin haben am vergangenen Sonntag für ein Verbot der Burka in der Öffentlichkeit gestimmt. Das erfolgreiche Referendum könnte Schule im Alpenland machen. Wenn der Gesetzesentwurf wie angedacht in die Landesverfassung aufgenommen wird, wäre das italienischsprachige Tessin der erste Kanton mit Verhüllungsverbot. „Niemand darf sein Gesicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen verhüllen oder verbergen“, heißt es im Entwurf für die Landesverfassung.

Das erfolgreiche Referendum sorgt für Aufmerksamkeit. Dahinter steckt der Einzelkämpfer Giorgio Ghiringhelli (61) aus der Kleinstadt Losone nahe der schweizerisch-italienischen Grenze.

Es handele sich bei der islamischen Vollverschleierung um das „Symbol einer totalitär-fanatischen und gefährlichen Ideologie“, erklärte der Ex-Journalist und Gründer der regionalen, nicht im Kantonsparlament vertretenen Partei „Il Guastafeste“ (Der Spielverderber).

Zwar seien im idyllischen Tessin kaum verschleierte Frauen zu sehen, der Gesetzesentwurf habe aber „vorbeugenden Charakter“. Ghiringhelli gelang es, sich gegen den Bischof von Lugano sowie mehrere Islamverbände durchzusetzen. Ghiringhellis Vorstoß unterstützten auch einzelne Vertreter der liberalen FDP, der konservativen SVP und der rechten „Liga der Tessiner“, eines regionalen Äquivalents der italienischen „Lega Nord“. Amnesty International dagegen sprach von einem „traurigen Tag für die Menschenrechte“. Kritik erfolgte auch seitens des Islamischen Zentralrats in der Schweiz. Der „Rechtspopulist“ Ghiringhelli habe ein unnötiges wie unausgereiftes Volksbegehren auf den Weg gebracht. Dieser erklärte von seinem Garten in Losone aus, er habe vielmehr ein Zeichen gegen den „militanten Islamismus” setzen wollen.

Dabei handelt es sich nicht um den ersten erfolgreichen Gesetzesentwurf, den Ghiringhelli anstieß. 2002 gewannen seine „Spielverderber“ ein kantonales Referendum zur Senkung der Notartarife, 2011 setzten sie eine Senkung der Strompreise im Tessin durch. Die „Spielverderber“ gründete er 1997 erst als Satirezeitschrift. Damals war der Ex-Journalist seit einem Jahr als unabhängiger Abgeordneter der Liga der Tessiner im Gemeinderat von Losone aktiv. Er sah sich zunehmend von politischen Intrigen enttäuscht. Heute sei er wie das Wappentier seiner Partei, betonte Ghiringhelli gegenüber der Lokalzeitung La Rivista del Locarnese, eine Bulldogge, „die den Knochen nie hergibt“. 2009 kandidierte er erfolglos als einziger Parteivertreter bei den Wahlen für das Tessiner Kantonsparlament und den Schweizer Nationalrat. Den Gemeinderat seiner Heimatstadt verließ er 2011.

Denn Ghiringhelli will sich auch über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus engagieren. 2006 veröffentlichte er in drei Regionalzeitungen einen Brief unter dem Titel „Die Islamisierung Europas: Entweder man reagiert oder man leidet“. Darin warnte er vor einem sich radikalisierenden Islam, „unkontrollierter Immigration“ sowie der naiven Toleranz der Einheimischen. „Sieben Jahre sind vergangen, seit ich meine Ängste geäußert habe. Leider haben mir die Fakten inzwischen gezeigt, daß ich Recht hatte“ betonte Ghiringhelli im Juni 2013 auf seiner Internetseite.

Für die Abstimmung vergangene Woche reichte er bereits im März 2011 11.767 Unterschriften ein. Unterstützung fand er parteiübergreifend auch bei Frauenrechtlerinnen, unter anderem der ehemaligen liberalen Staatsrätin Marina Masoni.

„Unsere Bewegung, die keine richtigen Mitglieder hat, beruht darauf, daß wir eine Menge Leute für einzelne Themen mobilisieren können“, unterstrich der 61jährige gegenüber dem regionalen Giornale del Ticino. Für jede seiner „Schlachten“, so Ghiringhelli, habe er Unterstützer aus den verschiedensten Lagern sammeln können.

Um die Ausgaben zu bewältigen, finanziert sich Ghiringhelli neben Spenden auch über eine eigene Lotterie. Zu gewinnen gibt es unter anderem Goldmünzen, eine Schweizer Uhr und ein spezielles Abendessen im Haus der „Spielverderber“.

Zu seinen weiteren politischen Projekten meinte er: „Unser erklärtes Ziel ist es, die Debatte über die Burka auch auf nationaler Ebene zu führen.” Ob er damit Erfolg hat, hängt vom Schweizer Nationalparlament ab: Es muß noch prüfen, ob sein Gesetzesentwurf verfassungskonform ist.

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