© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Der Gegner bleibt unsichtbar
„Schlammig, aber sicher“: Bilder und Briefe aus Afghanistan im Museum Bautzen
Sebastian Hennig

Als Anklage, Bericht oder Propaganda kann die Fotografie Kriegshandlungen in ganz unterschiedlichem Licht erscheinen lassen. Das muß nicht immer Absicht des Fotografen sein.

Das quälend Mehrdeutige liegt nämlich schon in der Natur der Sache: das lauernde und wartende Befinden der Soldaten, die Unsicherheit als Alltag und eine Anspannung, die sich jederzeit entladen kann. Das Dasein balanciert zwischen plötzlicher Verdichtung und allmählicher Auflösung in Langeweile und gleichgültigen Verrichtungen. Doch Fotografen reisen nicht zuletzt darum in entfernte Länder und tauchen ein in extreme Umstände, um etwas von der Macht des Ortes und des Schicksals in ihr unverbindliches Medium eingehen zu lassen und ihm dadurch bleibendes Gewicht zu verleihen.

Als der Berliner Fotograf Fabrizio Bensch 2008 zum ersten Mal für die Nachrichtenagentur Reuters nach Afghanistan reiste, konnte er feststellen: „Wahnsinnige Landschaften, aber bittere Armut. Manche Kinder haben richtig Angst vor mir, denn sie kannten keine Kamera.“ In den Folgejahren gab es noch zwei weitere Aufenthalte im deutschen Feldlager. Ausstellung und Katalog der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung präsentieren das Ergebnis, das als eine Image-Kampagne für den Bundeswehreinsatz wirkt.

Wenn es für Bensch, wie behauptet wird, keine Tabus in der Wahl der Darstellungen gegeben hat, war doch von Anfang an seine ikonographische Grundhaltung berechenbar. Wer einen solchen Ausblicksrahmen in Kopf und Kamera fest verankert hat, von dem sind keine visuellen Indiskretionen zu befürchten. Es sieht manchmal fast so aus, als hätte der Fotograf selbst die Wirklichkeit zensiert und die falschen Tatsachen ins richtige Licht gerückt. Und wer das Privileg genießt, einer der wenigen Bildverwerter einer derart kostspieligen Unternehmung zu sein, wird sich wohl schwer hüten, das in ihn gesetze Vertrauen zu enttäuschen. Wie man sich eingebettet findet, so knipst man. Nebenbei wird am Hindukusch auch die Ästhetik der westlichen Kriegsfotografie verteidigt. In dem betont lockeren, unsicheren Ton eines Halbstarken sind die Notizen des Fotografen verfaßt. Als die Kollegen vom Fernsehfunk auf die Bude kommen, stellt er fest: „Ist eine echt nette Wohngemeinschaft.“

Der Einsatz selbst schrammt vor allem deshalb immer wieder am offenen Krieg vorbei, weil die Konfrontation zumeist nur heraldisch erfolgt. Die Fotos zeigen eine Unternehmung, die zwischen dem Einsatz einer mobilen Installateur-Brigade und einem modernen Turnier changiert. Außerdem bildet diese Firma einheimische Azubis aus. Afghanische Polizisten üben unter deutscher Anleitung mit hölzernen Gewehrattrappen.

Mit ihrer Ausrüstung präsentiert die Bundeswehr sich am Horizont des Gegners und räumt dabei im Vorfeld etwas auf: Sprengfallen aufspüren und entschärfen, Brücken instandsetzen, mit Patrouillen Gegenwart darstellen. Im Morgengrauen des 14. Dezember 2009 geht es los, um eine Brücke westlich von Kundus wieder zu errichten und Sprengfallen zu beseitigen in einem „Gebiet, das die Bundeswehr seit längerer Zeit nicht mehr kontrollieren konnte“. Es kommt dabei zu einem mehrstündigen Schußwechsel. Bensch: „Zusammen mit dem ZDF-Team lagen wir in der Deckung, einem Graben zwischen den Soldaten, schlammig, aber sicher.“ Der Gegner bleibt auf allen Fotos unsichtbar. Auf einem Bild halten drei Panzerwagen vor einer Anhöhe, die noch von einem Morgennebel umfangen ist, an dessen Saum einige schwer gerüstete Männer vorgehen. Bensch notiert: „Alles sah nach einer recht vertrackten Situation aus, weshalb der Kompanieführer eine andere Route für den Rückweg ins Camp anordnete. Es sollte kein Risiko eingegangen werden. Die Tatsache, daß gut 500 Meter vor uns ein Hinterhalt existierte, machte jede Planung unmöglich. Wir fuhren mit hoher Geschwindigkeit zurück.“

Das erinnert an Schilderungen von dem teilweise zögernden Vorrücken der Amerikaner gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, dort wo ihnen auf deutschem Boden entschlossener Widerstand entgegenstand. So ist es geblieben. Denn für die demokratischen Glücksbringer wird jedes Opfer in den eigenen Reihen zum prinzipiellen Widerspruch zu ihren Verheißungen. Es bleibt ein Kennzeichen des „gerechten Krieges“, daß er seine tödliche Ernte überwiegend auf der Gegenseite einfährt. Die materielle und technologische Überlegenheit wirkt als Gottesurteil im heiligen Kampf für die westlichen Werte. Die Arbeit der Soldaten ist es, einen Rahmen abzustecken, in dem mit einheimischem Material ein Bild von Freiheit und Entfaltung des Individuums inszeniert werden kann. Diese Vision ist heilig auch um den Preis anhaltender Instabilität.

So besteht auch ein großer Teil der Fotos aus Gruppenbildern mit Befreiten und Beschützten. „Herzliche Begrüßung während einer Mission im Bezirk Chahar Dara im Umland von Kundus, 11. 5. 2010“. Ein Einheimischer mit asiatischem, tadschikischem Gesichtsschnitt begrüßt den Soldaten für den Fototermin. Dann ist der gleiche Mann mit seiner durch die Panzerweste grotesk unförmig wirkenden Gestalt samt schweren Bergstiefeln und Handschuhen im Fußballspiel mit afghanischen Schülern zu sehen, hoffnungsvolle junge Leute, die nun endlich Jeans und T-Shirts mit Reklameschrift tragen können.

Einen anderen Blick eröffnen die „Gespräche mit der Dorfbevölkerung in der Nähe von Faisabad, 22. 9. 2008“. Zwischen Hosenbeinen in Flecktarn und den Läufen automatischer Gewehre sind vor einer sonnigen Hauswand bärtige Männer mit Westen und Turbanen und Knaben in langen Hemden zu sehen. Eine Reihe von Bildern zeigt die Behandlung von Kindern in der Krankenstation des deutschen Feldlagers. Und nicht zuletzt sehen wir den seinerzeitigen Einsatzminister zu Guttenberg zu seinem unangekündigten Kurzbesuch im August 2008.

Einige Monate später folgt eine Gruppe Bundestagsabgeordnete mit Mundschutz und Stahlhelm und kugelsicheren Westen. Deplaziert wirkt Bundestagspräsident Lammert (CDU), der unter der schweren Weste ein rosafarbenes kurzärmeliges Hemd trägt. Ob das Gefühl der Frivolität, das von diesen Lichtbildern ausgeht, in der Art des Einsatzes begründet liegt oder auf den Blickwinkel des Fotografen zurückzuführen ist, bleibt unentschieden. Die afghanischen Knaben sind instinktiv vor der Kamera als einer subtilen Waffe zurückgeschreckt.

Die Ausstellung „Einsatz in Afghanistan – Fotografien und Briefe von Fabrizio Bensch“ ist bis zum 13. Oktober im Museum Bautzen, Kornmarkt 1, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Telefon: 0 35 91 / 49 85-33 Katalog

www.bautzen.de

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