© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Haltungsnote
Mit Rocko gegen das Vergessen
Bernd Rademacher

Rocko Schamoni ist ein Phänomen. Was hat der Mann nicht schon alles auf die Beine gestellt: einfallsreiche Punk-Popsongs geschrieben, den Hamburger Szenetreff Pudels-Club eröffnet, mit „Studio Braun“ den Telefonstreich neu erfunden, die herrlich tragikomische Biographie „Dorfpunks“ verfaßt und mit den angeblichen Techno-Urvätern „Fraktus“ nicht nur eine geniale Fake-Legende, sondern auch ein kreatives Vermarktungskonzept erdacht.

Jetzt hat der 47jährige Schamoni ein neues Projekt erschaffen, in das er besonders viel Herzblut investiert hat. Titel: „Die Vergessenen“. Der Künstler sucht Perlen der deutschsprachigen Popmusik der letzten fünf Jahrzehnte, die zu Unrecht verstaubt sind, weil sie unperfekt produziert wurden oder einfach nur zu unbekannt blieben. Lieder, die brillant sind, aber für den Radioerfolg zu sperrig schienen oder deren Urheber im Musikgeschäft Pech hatten. Als Beispiel nennt er alte Lieder der Berliner Mädchenband „Lassie Singers“. Wer erinnert sich noch?

Diese Perlen will Schamoni blank polieren und für die Nachwelt retten. Er sagt: „Ich möchte diese Lieder wiederauferstehen lassen – für einige Abende. Und ich möchte sie neu arrangiert aufnehmen.“ Dafür hat er ein 17köpfiges Orchester mit Bläsern und Streichern unter der Leitung des Jazzmusikers Sebastian Hoffmann gewonnen.

Ermöglicht wurde das Projekt durch Schwarmfinanzierung von über 600 Spendern, die in Kleinbeträgen zusammen mehr als 40.000 Euro gaben – und damit 3.000 Euro mehr als für die Produktion veranschlagt. Schamoni war von dem Erfolg seiner „Crowdfunding“-Kampagne überwältigt.

Die Musikpresse ist begeistert und gespannt. Nur das Magazin Tante Pop ätzt: „Hauptsache, Bela B. von den Ärzten ist nicht mit von der Partie ...“

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