© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Bunte Bilder ohne Mehrwert
Mischung aus Realszenen und Animation: „The Congress“ ist die Verfilmung eines Science-fiction-Romans von Stanislaw Lem
Claus-M. Wolfschlag

Eines Stoffes des polnischen Science-fiction-Autors Stanislaw Lem (1921–2006) hat sich der israelische Regisseur Ari Folman („Waltz with Bashir“) nun angenommen. Der 1971 erschienene Roman „Der futurologische Kongreß“ beschrieb die Geschichte eines Raumfahrers, der während eines Veranstaltungsbesuchs in einem Kleinstaat bemerkt, daß das Trinkwasser von der diktatorischen Regierung mit besänftigenden Psychopharmaka versetzt worden ist, um Aufstände zu verhindern. Als es dennoch zu einem Bürgerkrieg kommt, wird der Held für viele Jahre tiefgefroren. Er wacht in einem luxuriösen Zukunftsidyll auf, einer Welt in Frieden und Wohlstand. Gleichwohl basiert auch dieses Bild nur auf einer Sinnestäuschung durch Drogen.

Lems Urstoff einer Kritik am Kommunismus wird von Folman sehr frei auf die Gegenwart übertragen und in eine Kritik der Filmindustrie und modernen Technologie umgemünzt. Heldin ist hier die sich selbst darstellende Schauspielerin Robin Wright, die ihren Karrierehöhepunkt überschritten hat und mit ihren beiden Kindern in bescheidenen Verhältnissen lebt. Da erhält sie das Angebot eines Hollywood-Studios, sich digitalisieren zu lassen. Jede Mimik und Gestik von ihr würde gescannt und für eine vollständig animierte Figur verwendet.

Nach anfänglicher Ablehnung stimmt Wright aus finanziellen Gründen zu. Sie verliert dadurch für zwanzig Jahre jedes Mitspracherecht und darf nicht mehr als Schauspielerin tätig sein. Als sie zwanzig Jahre später zur Verlängerung ihres Vertrags zu einem „futurologischen Kongreß“ eingeladen wird, gerät sie in eine vollständig animierte Welt, in der sie selbst nur als Avatar auftritt. Das Studio fordert dort nun von ihr, auf jegliche Rechte an ihrer Figur zu verzichten. Dann kommt es zu einem Rebellenaufstand, und Wright irrt durch die Bildwelten, bis es ihr gelingt, durch ein Gegenmittel wieder in die reale Ebene zurückzukehren.

Zweifellos sprüht Folmans Animationswelt vor vielen faszinierenden verrückten Einfällen. Man sieht lachende Tintenfische, an einem Riesenrad hängende Segelschiffe. Die Rebellen treten wahlweise als Araber, Rotarmisten, Punks, Pickelhaubenträger oder „Clock-
work-Orange“-Gangmitglieder auf. Unter den animierten Hotelgästen kann man Tom Cruise, Grace Jones, Osama bin Laden, Elvis Presley, Picasso, Jesus und allerlei Fabelwesen ausmachen.

Das reicht für einige interessierte Blicke oder Lacher, ist aber doch zu wenig, um einen Film von über zwei Stunden Laufzeit zu tragen. Das ist schade, denn die Stärken des Films liegen eigentlich in den Realszenen. Der Anfang mit der alternden und technologieskeptischen Schauspielerin, die letztlich aus Not doch ihre „Seele“ verkauft, besticht durch ausgezeichnetes Mienenspiel.

Vor allem die Szene der Einscannung Robin Wrights stellt den emotionalen Höhepunkt des Films dar. Und das Ende, die Rückkehr der animierten Robin Wright in die Realwelt der Zukunft, führt in eine erschreckend kontrastierende Dystopie, von der man gerne mehr gesehen hätte. Es scheint aber, als ob diese gelungenen Realfilm-Sequenzen Folman nur als Rahmen gedient haben, um sich in seiner – optisch nicht immer gelungenen – Animationswelt ausleben zu können.

Dabei wird die Handlung immer konfuser, so daß es immer schwerer wird, eine logisch nachvollziehbare Geschichte herauszufiltern. Deshalb baut sich auch kein Spannungsbogen auf; zudem bleibt die Mimik der Animationsfiguren platt. So verliert sich „The Congress“ leider in bunten Bildern ohne Mehrwert.

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