© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Rückzug auf leisen Pfoten
Frankreich: Ohne ersichtlichen Grund manövrierte sich Präsident François Hollande in der Syrien-Frage in die Isolierung
Jürgen Liminski

Anfangs war Präsident François Hollande eindeutig. Der Angriff mit chemischen Waffen könne nicht ohne Antwort bleiben, der syrische Despot habe alle Grenzen des Erträglichen übertreten, er müsse militärisch eingedämmt, bestraft werden.

Dann setzte ein erstes Nachdenken ein. Die öffentliche Meinung in Frankreich ist gespalten, eine Tendenz zur Zurückhaltung aber unverkennbar. Das Nein des Unterhauses zu einer internationalen Strafaktion wirkte wie ein Bremsverstärker für die Meinungsbildung. Hollande hatte schon zuvor die Nationalversammlung einberufen, wollte sie aber nicht abstimmen lassen. Es wurde heftig diskutiert, der ehemalige Premier Raffarin fand klare Worte: Solange es keine rechtliche Legitimation für eine militärische Aktion gebe, solange müsse Frankreich sich zurückhalten.

Nach der Diskussion in der Nationalversammlung ergaben die Umfragen ein klares Nein. Die jüngste Umfrage stellte sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit gegen einen Militärschlag in Syrien fest, selbst wenn er innerhalb einer Koalition der Willigen erfolgte und selbst wenn es ein Mandat dafür gäbe.

In seiner Not versuchte Hollande sogar, den Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Oradour Mitte letzter Woche für seine Syrien-Position zu nutzen. Das Gedenken in Oradour enthalte ein Versprechen, sagte er nach einer bewegenden Begehung des Märtyrerdorfes, „das Versprechen, immer und überall jene Prinzipien zu wahren, die von den Henkern von gestern, aber auch heute mit Füßen getreten werden; das Versprechen, die Menschenrechte zu verteidigen, wann immer sie verletzt werden, bei uns oder fern von hier“. Und in einer Pressekonferenz nannte er ausdrücklich den Angriff mit chemischen Waffen in Syrien. Mit dieser Parallele zog der sozialistische Präsident die historische Gedenkfeier in das Parteiengezänk von Paris. Es nutzte nichts.

Hollande geriet in die Isolierung. Angesichts so klarer Aussagen versah er seine Position mit immer mehr Zweifeln und Hintertürchen. Auch das G-20-Treffen in Sankt Petersburg machte die Isolierung Hollandes und Obamas deutlich. Für eine verbale Verurteilung waren noch zehn Staatschefs zu gewinnen, für eine militärische Aktion keiner. Hollande blies zum Rückzug. Politischer Gewinner des Hin und Her in Frankreich ist der Front National von Marine Le Pen. Sie positionierte sich von Anfang an gegen eine militärische Intervention. Le Pen kommt außerdem die allgemeine Stimmungslage in Frankreich zugute. Die Steuererhöhungen treffen jetzt auch die kleinen Portemonnaies. Die ideologischen Angriffe der Sozialisten richten sich jetzt auf die Schule – man will zum Beispiel die Gendertheorie einführen. Auch die innere Sicherheit wird immer prekärer, der angeblich harte Innenminister Manuel Valls entpuppt sich als Ansage-Minister, ähnlich wie sein Präsident.

All das ist Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pen, während die frühere bürgerliche Präsidentenpartei UMP sich weiterhin in Rivalitätskämpfen selbst blockiert. In einem halben Jahr finden landesweit Kommunalwahlen statt, sie werden die politische Landschaft umpflügen.

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