© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Mit Zäunen gegen al-Qaida
Grenzstreit zwischen Saudi-Arabien und Jemen: Nicht nur Schmuggler setzen das Königreich unter Druck
Marc Zöllner

Wo Saudi-Arabien an den Jemen grenzt, herrschen erbarmungslose Temperaturen. Tagsüber glüht der Sand bei bis zu 60 Grad Celsius. In der Nacht sinkt das Thermometer oft bis an den Gefrierpunkt. Rub al-Chali, das leere Viertel, so nennen die Araber das Terrain.

Doch wirklich leer ist diese Gegend keinesfalls.Hier siedeln die schiitischen Houthis, eine der größten Minderheiten im sunnitisch dominierten Arabien. Bis in die frühen sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts regierten sie die Provinz Saada, der ärmsten von Jemens Provinzen, recht autonom.

Ihre Bewegung zählt bereits über 100.000 Rebellen, ausgestattet mit Gewehren und Jambiyas, den traditionellen jemenitischen Krummdolchen. Seit 2009 wird der Jemen, der schon längst nicht mehr Herr der Lage im Norden des Landes ist, in seinem Kampf gegen die Houthis aktiv von Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten unterstützt.

Doch neben Houthis und Nomaden lockt die Einsamkeit der Wüste seit kurzem auch ungebetene Gäste an: Waffenschmuggler aus dem Süden des Jemen geben sich hier mit Drogenhändlern die Klinke in die Hand. Überdies stellt die Rub al-Chali ein ideales Rückzugsgebiet für militante Anhänger der Terrororganisation al-Qaida dar. Nicht wenige Nomaden nutzen dies, um die dubiosen Fremden gegen entsprechendes Salär durch die meist nur den heimischen Stämmen bekannten Wasserlochrouten ins saudische Nachbarland zu lotsen.

Eine überlebensnotwendige Geschäftsstrategie, die Saudi-Arabien nun möglichst konsequent zu unterbinden versucht. Bereits 2003 entwarf dessen Innenministerium den Plan, den Grenzstrich zum Jemen komplett abzuriegeln. Ein drei Meter hoher, elektronisch gesicherter Zaun sollte erbaut werden, über 1.800 Kilometer lang, von der Küste des Roten Meers bis hin zum Dreiländereck mit dem Oman. Die im September 2003 begonnenen Bauarbeiten mußten jedoch im Folgejahr aufgrund des Protestes der jemenitischen Regierung in Sanaa wieder abgebrochen werden. Der Zaun selbst, so die Argumentation Jemens, verstoße gegen bilaterale Abkommen.

„Wir waren heute morgen sehr überrascht, als wir sahen, daß der Bau des Grenzzauns wiederaufgenommen worden ist“, berichtete Hussein Abu Dadra Ende August der Nachrichtenagentur Reuters. Das Vieh seiner Leute, so der Beduinenführer, sei von den Oasen beider Länder abhängig. „Von daher schossen wir auf die Bauarbeiter, und die Grenzsoldaten schossen zurück. Doch wir haben sie gezwungen, den Bau zu stoppen.“

Ein Stammesmitglied starb bei den Gefechten, ein weiteres wurde schwer verwundet. Verlustziffern, die Abu Dadra immer wieder verdeutlicht, um darauf zu verweisen, wie wichtig der freie Transit für seinen Stamm ist. Doch der saudische Innenminister möchte hiervon nichts wissen. „An der Grenze ist nichts“, erklärt der Sprecher des Ministeriums, Mansour al-Tourki, wortkarg der Presse. Überhaupt lägen die Prioritäten auf den eigenen Verlusten. So wurden erst im April dieses Jahres fünf saudische Soldaten von Schmugglern überfallen und ermordet. Auch die Bedrohung des Könighauses durch ins Land eindringende Kämpfer al-Qaidas wüchse mit der Destabilisierung der Nachbarstaaten ständig an, unterstrich al-Tourki.

Ohnehin sieht das saudische Mammutprojekt vor, das wohlhabende Land im Herzen Arabiens eines Tages komplett hermetisch gegen Terroristen, Kriminelle und illegale Arbeitssuchende abzuschirmen. Eine 900 Kilometer lange und sechs Meter hohe Mauer an der Grenze zum Irak sei von daher ebenfalls bereits in Planung. Für das Wohl Saudi-Arabiens, so der einhellige Tenor, könne man auf Abkommen wie jenes von Dschidda oder die Bedürfnisse der verarmten Beduinen im Rub al-Chali keine Rücksicht mehr nehmen.

Foto: Schiitische Houthi-Rebellen beim traditionellen Baraa-Tanz in der jemenitischen Saada-Provinz: Anspruch auf saudische Gebiete

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