© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Stauffenberg kehrt nach Dresden zurück
Bundeswehr: Die Offizierschule des Heeres, an der der spätere Hitler-Attentäter einst ausgebildet wurde, erhält seinen Namen
Paul Leonhard

Die Offizierschule des Heeres in Dresden wird nach dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg benannt, genauer gesagt die Kaserne, in der die Einrichtung untergebracht ist. Die Namensvergabe erfolgt am Sonnabend anläßlich des 15. Jahrestags des Umzuges der Bildungsstätte von Hannover in die sächsische Landeshauptstadt. Damit werden eine Zeitlang zwei deutsche Kasernen den Namen des Widerstandskämpfers tragen. Denn auch die Kaserne der 10. Panzerdivision in Sigmaringen ist derzeit noch nach diesem benannt. Der schwäbische Standort wird aber 2015 geschlossen.

Der Umbenennung der im Dresdner Norden gelegenen Albert-Kaserne sei eine gründliche Debatte vorausgegangen, verriet Pressesprecher Major Holger Hase der Sächsischen Zeitung. Schließlich sei der Name Stauffenberg nicht „völlig unumstritten“. Hase erinnerte daran, daß der spätere Attentäter ein führender Militär der Wehrmacht gewesen sei, am Polenfeldzug teilgenommen habe und die Rassenpolitik der Nationalsozialisten anfangs bejaht habe. Mit dem selbst ausgeführten Attentat auf Hitler habe Stauffenberg aber später ein eindeutiges Zeichen gesetzt. Deutlicher ist das Bekenntnis auf der Internetseite der Schule, die bereits ihren großen Traditionslehrsaal nach Stauffenberg benannt hat und zu dessen Ehren die Teilnehmer des 71. Offiziersanwärterjahrgangs des Heeres den Namen Stauffenberg tragen: Im 20. Jahrhundert werde die Mahnung an die Pflicht bis hin zur Aufopferung des eigenen Lebens in besonderem Maße verkörpert durch Generaloberst Ludwig Beck, Generalmajor Henning von Tresckow und Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, heißt es dort.

Die Ehrung Stauffenbergs gehört zum neuen Traditionsverständnis der Bundeswehr, die auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) fördert. Der sieht sich damit auf einer Linie mit seinem Vater Ulrich de Maizière, der als Generalinspekteur der Bundeswehr ebenfalls die Männer des 20. Juli 1944 gewürdigt hatte. „Er wünscht sich, daß diese Armee Traditionen hat, auf die sie sich berufen kann“, hatte die Süddeutsche Zeitung nach einem Besuch des Verteidigungsministers in der Militärakademie der Vereinigten Staaten in West Point aus dessen Umgebung zitiert. Genannt wurden der Geist der preußischen Reformer Scharnhorst, Gneisenau und Clausewitz sowie der militärische Widerstand gegen Hitler.

Welchen Wert an der Offizierschule auf Traditionen gelegt wird, zeigt ihr internes Verbandsabzeichen, welches „die den deutschen Offizier auszeichnenden Tugenden symbolisiert“. Mit dem Eisernen Kreuz, dem roten Schildgrund, dem Ritterhelm und den Waffenfarben Schwarz, Rot, Gold vereine das Wappen historisches Gedenken, ethische Bindungen und die Verpflichtungen der Gegenwart.

Die Offizierschule befindet sich in einem riesigen, speziell für die Erfordernisse des Militärs Ende des 19. Jahrhunderts, innerhalb von sechs Jahren errichteten Areal von 360 Hektar im Norden Dresdens. In seiner Konzentration militärischer Bauten, seiner städtebaulichen Struktur und seiner repräsentativen architektonischen Gestaltung im Stil des Klassizismus gilt die nach König Albert benannte Albertstadt als einzigartig in Deutschland. Ihre Kapazität war auf 20.000 Soldaten ausgelegt.

Nachdem hier seit 1873 sächsische Kadetten ausgebildet wurden, wurde 1926 die Infanterieschule der Reichswehr von München nach Dresden verlegt. Zu den bekanntesten Absolventen der verschiedenen Dresdner Einrichtungen zählen der Jagdflieger Max Immelmann, der Stauffenberg-Vertraute Albrecht Mertz von Quirnheim und Ulrich de Maizière. Der spätere Generalfeldmarschall Erwin Rommel lehrte von 1929 bis 1933 an der Schule. Und auch Stauffenberg wurde hier als Fahnenjunker ab Mitte Oktober 1927 in den Fächern Taktik, Sprachunterricht, Sport und Staatsbürgerkunde geschult. Anfang August 1928 wurde er in Dresden zum Fähnrich befördert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nutzte zunächst die Kasernierte Volkspolizei, dann die Nationale Volksarmee (NVA) die Offizierschule. Später bezog die Artillerieschule der NVA die Kasernen. In Westdeutschland entstanden dagegen Heeresoffizierschulen in Hannover, Husum und München, die 1974 zur Offizierschule des Heeres in Hannover zusammengefaßt wurden. Diese wurde nach der Wiedervereinigung insbesondere auf Drängen des damaligen Außenministers Genscher nach Dresden an ihren ursprünglichen Standort zurückverlegt.

Die 1998 eingeweihte Offizierschule nutzt die historischen Gebäude der sächsischen Kadettenanstalt und des Garnisonslazarettes. Außerdem wurden einige Neubauten auf dem Gelände der ehemaligen Friedrich-August-Kaserne errichtet. Die Baukosten beliefen sich auf rund 135 Millionen Euro. Seit 15 Jahren durchläuft, wie schon vor 1945, jeder Offizier im deutschen Heer wichtige Ausbildungsstufen in Dresden. Auch werden hier die Grundsätze der Taktik im Heer weiterentwickelt.

Während zu der mit der Namenstaufe verbundenen einwöchigen Feier an der Offizierschule des Heeres unter anderem Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe, der frühere Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und auch der ohnehin im Stadtteil Blasewitz am Blauen Wunder lebende Thomas de Maizière erwartet werden (alle CDU), denkt man in Sigmaringen über die Zukunft ohne Stauffenberg-Kaserne nach.Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), plädierte bei einemBesuch bereits dafür, den Gedenkstein und die Gegenstände des Stauffenberg-Gedenkraums in Sigmaringen zu belassen.

Foto: Offizierschule des Heeres in Dresden, Stauffenberg: Traditionsreicher Standort des deutschen Militärs

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