© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Merkels gelehriger Schüler
Bayern: Horst Seehofer läßt seinen SPD-Herausforderer Christian Ude alt aussehen
Lukas Noll

Das bayerische TV-Duell zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem Herausforderer Christian Ude am vergangenen Wochenende hat auch die letzte Ungewißheit in einem Landtagswahlkampf, der schon lange als entschieden gilt, beseitigt. Wer sich bislang mit Hoffnungen auf einen Umschwung durch den Fernsehauftritt der beiden Kontrahenten vertröstete, muß spätestens jetzt einsehen: Der bald 66 Jahre alte Christian Ude, der aus Altersgründen kein weiteres Mal als Münchener Oberbürgermeister antreten darf, wird nach der Landtagswahl an diesem Sonntag nicht Ministerpräsident des Freistaates. Zwar wird dem Münchener Stadtoberhaupt auf fast allen Kanälen bescheinigt, sich souverän durch die Direktkonfrontation mit dem Landesvater geschlagen zu haben: Gewonnen hat er das Duell aber eben nicht. Zwar war es auch keine Niederlage. Das jedoch hat eine verschwindend geringe Bedeutung in einem Wahlkampf, der für die Sozialdemokraten schon lange aussichtslos ist.

In diesem ist es Amtsträger Horst Seehofer gelungen, nahezu jeden Skandal versanden zu lassen. Die Verwandtenaffäre, in der auffällig viele Fälle „familiärer“ Korruption bei christsozialen Abgeordneten aufgedeckt wurden, löste zwar großen medialen Wirbel und Empörung aus – in einen echten Stimmungswechsel münden konnte sie indes nicht. Auch Seehofers Aufforderung gegenüber Fernsehjournalisten des WDR, sie sollten Bayern verlassen, verhallte schnell.

Auf den ersten Blick ist das leicht erklärt: Zu gut steht der Freistaat nach 59 Jahren CSU-Herrschaft noch da, als daß die Partei über die Beschäftigung einiger Familienmitglieder im Landtag stolpern würde. Die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr mäßig, aber konstant, die Arbeitslosigkeit ist mit 3,8 Prozent noch immer rekordverdächtig niedrig. Schwer ist zu bestreiten, wie sehr sich die Opposition die Zähne daran ausbeißt, größere Probleme in Bayern zu verorten. Ein vorgeblich ungerechtes Bildungssystem und fehlende soziale Gerechtigkeit wirken für viele Bayern wie Erzählungen aus einer anderen Welt, als Miesmacherei in einem Bundesland, das sich sonst in recht guter Verfassung befindet. Weniger als in jeder anderen Region Deutschlands taugen sie dafür, den Wahlkampf nennenswert zu beeinflussen. Selbst in strukturschwachen Landkreisen wie dem oberfränkischen Hof oder Niederbayern gelingt es den Sozialdemokraten mit ihrer Agenda nicht, politisch Fuß zu fassen.

Trotzdem ist die kurze Halbwertszeit der CSU-Skandale nur unvollständig damit erklärt, in welch guter Verfassung sich der Freistaat befindet. Es ist vor allem die Wahlkampfführung Seehofers, die der Partei nach dem Absturz der vergangenen Landtagswahl einen solchen Aufschwung verschafft hat. So sehr der CSU-Primus die Bundeskanzlerin auch als scheinbare Rivalin in Szene setzt, so wird auch deutlich, wieviel von Merkels Wahlkampftaktik sich auch im Seehoferschen Gebaren wiederfindet.

Zwar verschafft sich der CSU-Chef immer wieder durch populistische Forderungen deutschlandweit Gehör, wie durch die Forderung nach einer Pkw-Maut für Ausländer. Den überwältigenden Teil des Wahlkampfs verbrachte jedoch auch Seehofer damit, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und inhaltliche Debatten zu vermeiden. Unverkennbar die Handschrift der Kanzlerin. Doch mehr noch, als daß Seehofer damit jede Spur eines hitzigen Wahlkampfs im Keim erstickte, lähmte er den politischen Gegner: Wer noch immer auf den unbestrittenen politischen Erfolg im Lande verweisen kann, an dem prallt auch jeder Versuch der Opposition ab, einen Wahlkampf der Inhalte zu machen. Für die Medien ist das langweilig. Für die Konkurrenz desaströs. Für die Christsozialen rentiert es sich. Das macht sich konsequent in den Umfragen bemerkbar. Daran konnte auch das solide TV-Duell nichts ändern – obwohl die direkte Konfrontation der beiden Kandidaten in sozialdemokratischen Kreisen als letzte große Chance galt, doch noch Boden zu gewinnen.

Einen Zuwachs von fünf Prozent hatte sich die SPD allein durch den so populäre wie bekannte Christian Ude versprochen. Auf diese fünf Prozent wartet man bei den Sozialdemokraten bis heute vergeblich, gerade mal 18 Prozent sagt das Meinungsforschungsinstitut GMS der Partei voraus, bei Forsa sind es immerhin 20, bei Infratest 21 Prozent.

Auch im Ude-Lager weiß man: 26 bis 29 Prozentpunkte Unterschied zur Regierungspartei sind eine Lücke, die auch eine noch so breit zusammengeschusterte Mehrparteienkoalition nicht überbrücken kann. Die Grünen liegen in Bayern bei 11 Prozent, der FDP prognostizieren die meisten Meinungsforscher, daß sie den Einzug ins Maximilianeum verpaßt. Und selbst die Freien Wähler liegen in den Umfragen mittlerweile deutlich unterhalb der zehn Prozent, mit denen sie vor fünf Jahren erstmals eindrucksvoll in den Landtag einzogen. Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der Freien Wähler, sieht sich höchstens noch selbst als Königsmacher der bayerischen Politik: Tatsächlich kann er das rein rechnerisch wohl nur noch werden, wenn die CSU doch noch die absolute Mehrheit verfehlt, und der bisherigen Juniorpartner FDP an der Fünfprozenthürde scheitert.

Foto: Horst Seehofer (l.) und Christian Ude vor dem TV-Duell: Der Ministerpräsident bietet wenig Angriffsflächen

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen