© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Frisch gepresst

Ostpreußen 1945. Unweit von Tilsit, im größten Flecken der Elchniederung, in Kaukehmen, wurde Inge Dommasch 1930 geboren. Einen großen Teil ihrer glücklichen Kindheit verlebte sie auf dem großelterlichen Bauernhof, und ihre behütete Jugendzeit in der weltabgewandten Provinz an Memel und Ruß blieb vom Zweiten Weltkrieg fast unberührt. Bis zum Herbst 1944, als die Eltern mit ihr die Heimat verlassen mußten, um nicht der anrückenden Sowjet-Soldateska in die Hände zu fallen. Familie Dommasch gelangte allerdings nur bis ins samländische Ostseebad Neukuhren, das im April 1945 die Rote Armee eroberte. Dort teilten Mutter und Tochter bis Ende 1947 das schwere, von Gewalt, Hunger und Krankheit geprägte Schicksal jener wohl 200.000 ostpreußischen Zivilisten, denen es nicht mehr geglückt war, sich vor den Sowjets in Sicherheit zu bringen. Vor allem die bald nach der „Ausreise“ entstandenen Aufzeichnungen ihrer Mutter, die Inge Keller-Dommasch mit eigenen Erinnerungen ergänzt, schildern in beeindruckender protokollarischer Nüchternheit ein heute nur zu gern verdrängtes Kapitel deutscher Geschichte. Daß dieser Band inzwischen in dritter, erweiterter Auflage erscheinen konnte, spricht für die Qualität dieses zeithistorisch wertvollen Dokuments. (uz)

Inge Keller-Dommasch: Wir aber mußten es erleben. Erinnerungen an Ostpreußen bis zur Vertreibung 1947. Nation & Wissen Verlag, Riesa 2013, gebunden, 287 Seiten, Abb., 21,80 Euro

 

Schwarzer General. „Konservativ bis auf die Knochen, aber doch kein Nazi“, entrüstet sich Vater Kempowski im „bürgerlichen“ Roman „Tadellöser & Wolff“, als er als deutschnationaler Reserveoffizier und Reeder auf seine Haltung zum NS-Regime angesprochen wird, dessen außenpolitische Erfolge er bis zum Frühjahr 1939 explizit gutheißt. Aus ähnlichem Holz geschnitzt dürfte auch der Wehrmachtsgeneral Theodor Groppe gewesen sein, der – katholisch, monarchistisch, deutschnational – von Anfang an gegen das NS-Unrecht rebellierte, die Judenverfolgung sogar aktiv unterlief und dafür ins Visier der SS-Granden Himmler und Kaltenbrunner geriet (JF 29/13). Sein jüngster Sohn, Pater Lothar Groppe, erinnert in einer Broschüre (gegen Spende bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft, Postfach 26 18 27 in 20508 Hamburg erhältlich) an diesen leider fast vergessenen Widerständler. (bä)

Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (Hrsg): Widerstand und Würdigung. General Theodor Groppe zum 130. Geburtstag. Hamburg 2013, broschiert, 88 Seiten

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