© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

„Verfilzt und festgefahren“
Landwirtschaft: Eine Petition will dem Bayerischen Bauernverband den Status als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ entziehen
Taras Maygutiak

Der Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ ist nur wenigen Organisationen vergönnt, die nichtstaatliche Aufgaben erledigen. So etwa dem Bayerischen Roten Kreuz oder dem Bayerischen Bauernverband (BBV). An der privilegierten Stellung des über 150.000 Mitglieder starken BBV, der Mitglied im Deutschen Bauernverband (DBV) ist, stören sich vor allem die kleineren Konkurrenten Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) oder der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM).

Nicht lamentieren, sondern Nägel mit Köpfen machen will diesbezüglich nun Manfred Schmidt, langjähriger Gemeinderat der konservativen Freien Bürger Union (FBU) in Vaterstetten. Mit einer Petition fordert der pensionierte Oberverwaltungsrat die Aberkennung des BBV-Status. Die Angelegenheit ist keineswegs eine altbayrische Lokalposse, sogar die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat sich der Angelegenheit angenommen.

Vaterstetten ist mit 22.000 Einwohnern die stärkste Gemeinde Bayerns, direkt an der östlichen Stadtgrenze Münchens gelegen. Schmidt ist kein Landwirt, dem die Verbandspolitik nicht schmeckt, er ist Verwaltungsexperte mit zwei Jahrzehnten Rathauserfahrung – und auch Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD), was die Sache zum Politikum macht. Offizielle Marsch­richtung der Bundespartei AfD sei seine Initiative nicht, „aber die Petition fällt innerhalb der bayrischen AfD auf fruchtbaren Boden“. Daß er gegen die Monopolstellung des BBV angehe, habe nichts mit wirtschaftlichen Interessen seinerseits zu tun, sondern geschehe aus so etwas wie Gerechtigkeitssinn heraus.

Der BBV-Status ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit. Im November 1945 wurden dem BBV von der Bayerischen Staatsregierung die Körperschaftsrechte verliehen, 1947 erkannte die US-Militärregierung sie wieder ab. Erst 1960 bekam der BBV den Status durch den damaligen Agrarminister Alois Hundhammer (CSU) wieder zurück. Damals seien Größe und Struktur der Betriebe und Bauernhöfe noch ein „homogenes Ganzes“ gewesen, befindet Schmidt. Doch das habe sich längst geändert. In seiner Petition moniert er, daß das Alleinstellungsmerkmal des „Zusammenschlusses der gesamten bäuerlichen Bevölkerung innerhalb Bayerns“ obsolet sei. So gibt es bereits seit 1980 die ökologisch-wertkonservative AbL, seit 1998 den BDM, der in Bayern mit Tausenden Mitgliedern fest verankert ist. Die „vollkommene Einigung der bayrischen Bauernschaft“ war aber 1960 der Hauptgrund gewesen, weshalb die damalige Regierung unter Hanns Seidel (CSU) den deutschlandweit einmaligen Sonderstatus verliehen hatte.

Doch was ist daran problematisch? Der BBV – der sich selbst als „Einheitsverband der bayerischen Bauernfamilien“ tituliert – warnt, der Verlust des Sonderstatus schwäche die Interessenvertretung der Bauern. Kritiker monieren hingegen die mangelnde Chancengleichheit der zumeist kleineren Höfe, die in AbL oder BDM organisiert sind. Der BBV habe zudem durch seinen privilegierten Status nicht nur im Rahmen des landwirtschaftlichen Grundstücksverkehrs exklusive Anhörungsrechte gegenüber Kreisverwaltungsbehörden. Der BBV darf konkrete Vorschläge zu Gesetzestexten und -änderungen einbringen. Fragwürdig sind Pauschalaussagen wie etwa, daß der BBV „die Interessen der Agrarwirtschaft“ einbringe und „für den Informationstransfer an die Landwirte“ sorge. Die Tendenz, daß der BBV die Interessen der Agrarindustrie und Massentierhaltung vertritt, wurde nach der Wiedervereinigung verstärkt. Damals gewann der Dachverband DBV Zuwachs und Einfluß durch die riesigen Nachfolgebetriebe der LPGs aus DDR-Zeiten. Inzwischen kommen immer mehr ausländische Agrarfinanz­investoren hinzu. Nur sechs Prozent der Agrarbetriebe in Deutschland erhalten die Hälfte aller Agrarsubventionen.

Bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (SVLFG) habe der Bauernverband „mit seinen Mehrheiten in den Selbstverwaltungsorganen die Beiträge für kleinere und arbeitsintensivere Betriebe erhöht“, klagt AbL-Geschäftsführer Ulrich Jasper in der SZ. „Zuerst für die Unfallversicherung, und nun kommt das auch für die Krankenversicherung.“

Der Historiker Johann Kirchinger sieht zwischen BBV und CSU ein „symbiotisches Verhältnis“. Josef Schmid, Landeschef der AbL, sagt es bayrisch direkt: „Es ist alles verfilzt und festgefahren.“ Manfred Schmidts Petition sei richtig und lobenswert. Aber der AbL-Chef weiß aus Erfahrung auch, wie es im CSU-dominierten Bayern weiterläuft: „Die Petition wird abgehakt und dann bleibt alles beim alten.“ Doch das Thema wird wenigstens erstmals breit diskutiert.

Foto: Bayrischer Agrarminister Brunner (r.), BBV-Chef Heidl (l.): Über die CSU-Mitgliedschaft hinaus verbunden

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