© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Frau Lemke kommt ins Schwitzen
Lukas Lang

Von welcher Zeitung sind Sie?“ fragt die politische Geschäftsführerin der Grünen. Steffi Lemke ist nervös. Gerade hat sie die Fragen des Wahl-O-Mats der Bundeszentrale für politische Bildung beantwortet und hofft jetzt darauf, daß das Programm als Ergebnis ihre eigene Partei als Wahlempfehlung präsentiert. Tatsächlich, ihre Antworten stimmen zu 96,7 Prozent mit den Positionen der Grünen überein.

Doch auf die Bitte, den umstehenden Journalisten bei der Präsentation des Wahl-O-Mats für die Bundestagswahl 2013 zu zeigen, welchen Grad der Übereinstimmung sie mit den anderen Parteien hat, reagiert die Grünen-Politikerin gereizt. Aber schließlich gibt sich Lemke geschlagen: Übereinstimmung mit der Linkspartei 88,3 Prozent, mit den Piraten 83,3 Prozent. Der erklärte Wunschkoalitionspartner der Grünen, die SPD, kommt mit 78,3 Prozent erst auf Platz vier.

Seit vergangener Woche ist der Wahl-O-Mat online. Die aktuelle Version umfaßt 28 der 30 zur Wahl zugelassenen Parteien (CDU/CSU zählen als eine Partei, „Die Rechte“ hat nicht geantwortet) und stellt 38 Thesen vor, wie zum Beispiel „Es soll ein gesetzlich flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden“, zu denen die Nutzer mit „stimme zu“, „neutral“ oder „stimme nicht zu“ antworten können. Auch die Parteien haben im Vorfeld ihre Antworten hinterlegt, und der Wahl-O-Mat zeigt somit, wenn alle Fragen beantwortet wurden, die Überschneidungen der Positionen der Nutzer mit denen der jeweiligen Parteien an.

Zur Wahl vor vier Jahren haben 6,3 Millionen Nutzer mit dem Wahl-O-Mat getestet, welche Partei am besten zu ihnen paßt. Seit 2002 wurde er 23 Millionen Mal aufgerufen. Dem Präsidenten der Bundeszentrale, Thomas Krüger, zufolge haben viele Nutzer bereits vorher eine feste Parteienpräferenz, und nur selten liege der Wahl-O-Mat ganz falsch. Über die Hälfte der Nutzer ist zwischen 30 und 60 Jahre alt sind. Knapp 35 Prozent entfallen auf die unter 30jährigen. mNeben einem neuen Aussehen hat sich auch die Ausrichtung des Wahl-O-Mats verändert, denn noch 2009 handelte es sich um eine Entscheidungshilfe für unentschlossene Wähler, und nicht „nur“ um ein „interaktives Info-Spiel“, wie es nun der Fall ist. Überhaupt sei es Ziel des Wahl-O-Mats zu zeigen, daß sich die Parteien entgegen vieler Meinungen eben doch unterscheiden, sagen die Macher.

Das mag stimmen, wenn man alle 28 Parteien betrachtet. Tatsächlich ist es aber so, daß der Benutzer seine Antworten mit maximal acht Parteien vergleichen kann. Wählt man also etwa nur die prominent plazierten Parteien aus, die im Bundestag vertreten sind, liegt natürlich weiterhin eine weitgehend einheitliche Meinung zu Themen wie „Austritt aus dem Euro“ oder „Mehr Migranten im öffentlichen Dienst“ vor. Erst wenn Aussenseiterparteien ins Spiel kommen, wird der Wahl-O-Mat wirklich interessant – fast wie bei der richtigen Wahl.

Der Wahl-O-Mat kann über die Seite der JUNGEN FREIHEIT aufgerufen werden.

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