© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Winterschlaf wirkt als Energiesparmodus
Die DFG-Wissenschaftsförderung verschreibt sich der „Nachhaltigkeit“ / Antragslyrik überlistet ideologische Vorgaben
Gerd Jellinek

In die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten biologischen, agrar- und forstwissenschaftlichen sowie medizinischen Projekte der „Lebenswissenschaften“ flossen 2012 knapp 800 Millionen Euro. Deutlich zeigt der DFG-Jahresbericht, wie stark sich Forschung dabei am Zauberwort „Nachhaltigkeit“ und an politischen Erwartungen ausrichtet, die von der „Energiewende“ geweckt werden.

Viele Wissenschaftler verstehen es inzwischen, solche Vorgaben – wie einst in der DDR – mittels Antragslyrik zu bedienen, um sich dann fernab der Ideologie zweckfreier Wahrheitssuche hinzugeben. Ein Beispiel bieten Studien der Ökophysiologin Kathrin Dausmann. Die Hamburger Juniorprofessorin untersucht, welche Funktionen der Winterschlaf im tierischen Jahresrhythmus übernimmt. Dabei dürfte schon die Kennzeichnung der Hibernation von Igel, Murmeltier und Haselmaus als „eine Art Energiesparmodus“ DFG-Gutachter begeistert haben. Nachdem sie jahrelang den Energieverbrauch heimischer Kleinsäuger beobachtet hatte, finanzierte die DFG 2012 kostspieligere Feldforschungen im Hochland Madagaskars. Denn auch in sonnigen Zonen schalten Tiere monatelang ab.

Dausmann gilt als Entdeckerin des tropischen Winterschlafs, den sie als Anpassungsstrategie klassifiziert, die etwa Zwerglemuren ein Überleben in Zeiten heftiger Temperaturwechsel und knapper Nahrung ermöglicht. Zur Lösung menschlicher Energiefragen tragen diese Einsichten zwar nichts bei. Reizvoll ist zu sehen, wie akademische Anpassungsstrategien den Zeitgeist überlisten, um jenseits davon den Erkenntnisschatz reiner Wissenschaft zu mehren.

Stärker an rascher Verwertung zur Lösung der „Menschheitsfrage Klimawandel“ orientierte Projekte mußten hingegen erfahren, daß Wunsch und Wirklichkeit oft Abgründe trennen. So müht sich eine DFG-Forschergruppe um klimaschonende Alternativmethoden zum Naßreisanbau. Um ein Kilogramm Reis zu erzeugen, benötigt man in Asien nicht nur etwa 5.000 Liter Süßwasser. Einher mit dem Reisanbau geht zudem die Freisetzung des Treibhausgases Methan. Auf der indonesischen DFG-Versuchsfarm werden die Felder daher nur während der Regenzeit geflutet. In der Trockenzeit spart man Wasser und baut Mais an. Die dafür erforderliche intensive Stickstoffdüngung setzt jedoch das klimawirksamere Lachgas frei. Alternative Anbaumethoden erweisen sich also als klimaschädlicher als traditionelle.

Unter der Fahne der Nachhaltigkeit segeln auch zwei Projekte, die weniger Forderungen des Tages gehorchen als uralten Träumen vom „ewigen“ Leben. Kieler Biologen erforschen am Modellorganismus der Hydra Grundlagen menschlichen Alterns, das nachlassender Regenerationskraft von Stammzellen geschuldet ist. Ob diese „Basis der Unsterblichkeit“ verbreitert werden kann, bleibt angesichts „vorläufiger“ Kieler Ergebnisse eine wissenschaftliche Herausforderung. Ebenso wie die „Mechanismen der Adipositas“, die Geheimnisse des „Übergewichts“, denen Leipziger Mediziner seit 2006 auf der Spur sind. Ein gutdotierter, 2012 etablierter „Sonderforschungsbereich“ soll Methoden entwickeln, mit denen sich – wohl auch „eine Art Energiesparmodus“ – der Appetit kontrollieren läßt.

Detaillierte Jahresberichte der DFG: www.dfg.de

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