© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Das Ende der blinden Wut
Sommerkomödie: Die schwarzhumorige Tragikomödie „Hasta la vista, Sister!“
Sebastian Hennig

Als „stimmungsvolles Feelgood-Movie voll Leichtigkeit, Liebe und großen Abenteuern mit heißen Rhythmen vor der sinnlichen Kulisse Kubas“ preist der Verleih diesen Film an. Zusätzlich in diese Richtung lockt der hispanisierende Filmtitel, der für den deutschen Kinostart gewählt wurde: „Hasta la vista, Sister!“ Das englische Original dagegen heißt „Day of the Flower“. An jenem Blumentag ehren die Kubaner den Revolutionär Camilo Cienfuegos. Der Kampfgefährte und Rivale von Fidel Castro kam am 28. Oktober 1959 bei einem unaufgeklärten Flugzeugabsturz ums Leben. Er kritisierte zuletzt den Messianismus, der sich um den Revolutionsführer herauszubilden begann. Diese Opposition zum einsetzenden Mythos rückt seinen Unfalltod ins Zwielicht. Eine Absturzstelle wurde nie gefunden.

Wenn die Kubaner an diesem Nationalfeiertag die Bilder von Cienfuegos durch die Straßen tragen und Blumen in die Flüsse werfen, wird die ganze Widersprüchlichkeit dieses Staates sichtbar. Es geht auch im Film um Irrtümer, Betrug und Selbstbetrug. Die Stimmung ist im Original weit melancholischer gelagert. Da die Synchronisation von Filmen in Deutschland mit unerreichter Perfektion geschieht, kommen immer wieder Nachdichtungen zustande mit anderen Schwerpunkten, als dem Regisseur und Drehbuchautor im Sinn gelegen haben mag. Die Vermarktung spielt auch eine wesentliche Rolle.

So wandelt sich „Day of the Flower“ zur Sommerkomödie „Hasta la vista, Sister!“, die mit verführerischem Irrlichtern gefangennimmt. Der Vorspann zeigt das Familienidyll der sechziger Jahre in Super-8-Filmchen. Es ist der Ausgangspunkt einer Erzählung über die Generation der Engagierten und ihr kompliziertes Erbe. Rosa (Eva Birthistle) und Ailie (Charity Wakefield) sind sehr ungleiche schottische Schwestern. Ihre Mutter ging mit dem Freund nach Kuba, um ein sozialistisches Paradies in der Karibik mit aufbauen zu helfen. Weit ausgeprägter als hierzulande gab und gibt es in Großbritannien eine sozialromantische Bewegung von jungen Leuten, die glauben, das Unglück und die Unordnung, welche ihr Heimatland durch Krieg und Kolonialismus in die Welt getragen hat, durch Selbstaufopferung sühnen zu können.

Dort beginnt die Familiengeschichte. Die zweite Ehe des Export-Revolutionärs, die er nach dem Tod der Kampfgefährtin eingegangen ist, hat ihn zu einem arrivierten Mann gemacht, der nun geruhsam auf Jugendabenteuer zurückblicken kann. In seinen Töchtern verzweigen sich die verschiedenen Ansprüche. Während die eine, benannt nach der Sozialistenführerin Rosa Luxemburg, weiter die Welt rettet, verwendet Ailie die ganze Lebenskraft darauf, ihre weibliche Ausstrahlung in einer unwiderstehlichen Erscheinung zu fokussieren. Die genealogische Wurzel dafür wird am Schluß des Films auf überraschende Weise freigelegt.

Zu Beginn holt Ailie die Schwester vom Flugblattverteilen von der Straße weg zum Begräbnis des Vaters. Vor der gehobenen Trauergesellschaft verkündet die Stiefmutter ihre frivole Absicht, die Asche des verstorbenen Gatten in eine Golf-Trophäe zu verwandeln. Darauf entleert Rosa im Nebenzimmer die Urne vorsorglich in ihre Handtasche und befüllt sie statt dessen mit der Einstreuung aus dem Katzenklo. Ein mongoloider Angehöriger wird Zeuge der Grabräuberei. Sein listiges Grinsen darüber gehört zu den schrägsten Pointen des leicht schwarzhumorigen Films.

In Rosas sturem Kopf hat sich die fixe Idee festgesetzt, die sterblichen Überreste der Eltern in kubanischer Erde zu vereinen. Ihr Freund Conway begleitet sie im Kilt nach Kuba, und unerwarteterweise stößt die Schwester auf dem Flughafen hinzu. Die Verwerfungen in der ungleichen Reisegesellschaft sind stärker als die habituelle Kluft zwischen schottischer Sprödigkeit und karibischer Elastizität. Zahlreiche gefährlich-komische Situationen ergeben sich daraus.

Insgesamt betrachtet bleibt der Film eine Tragikomödie. Schwarzer Humor wächst aus dem Stammbaum der Melancholie. Die Polizei konfisziert das graue Pulver. Worauf Rosa überreagiert und eine ganze Folge von Abenteuern bestehen muß, in welche sie ihre Vorurteile einerseits stürzen, zugleich aber auch wieder herausreißen.

Zuletzt bleibt nur die Flucht ins Freie. Rosa findet sich wieder in den Armen des Tänzers Tomas (Carlos Acosta), dessen Frau bereits mit einem Touristen durchgebrannt ist. Der bringt sie zu den entscheidenden Geständnissen über den verehrten Vater: „Er hat mich nie in den Arm genommen“ und fragt: „Bist du wütend auf ihn.“ Sie nickt. Tomas gibt darauf den wichtigsten Hinweis: „Vielleicht war er auch wütend.“

Hier wird der Ausgang gezeigt aus dem Teufelskreis, das Ende der blinden Wut zum Guten. Zuletzt löst sich alles aufs schönste und ohne übertrieben unglaubwürdige Posen. Plausible verwandtschaftliche Beziehungen treten zutage, die keiner vermutete. Und Ailie hat mit der Protektion von daheim vermocht, was Rosa trotz allem Engagement und Bestechung nicht glücken wollte.

Foto: Die beiden ungleichen Schwestern Rosa (Eva Birthistle) und Ailie (Charity Wakefield) im Flieger Richtung Kuba: Eine will die Welt retten, die andere fokussiert sich auf ihre weibliche Ausstrahlung

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