© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Abschied von deutscher Braunkohle
Energiepolitik: Die tschechisch-slowakische Holding EPH auf Expansionskurs
Paul Leonhard

Während die tschechische Regierung bis zum Jahr 2040 zwei Drittel des Kohlestroms durch Kernenergie ersetzen will, schwärmen in Deutschland Regierung und Opposition von staatlich gehätschelten Windparks, chinesischen Solarzellen, Biogasanlagen oder Millionen von E-Autos. Die Begründung für den Umbau der Energieversorgung ist allerdings EU-weit identisch: Kohlekraftwerke stoßen CO2 aus, das sei gefährliches Treibhausgas, das dem Weltklima schade.

Doch ein Industrieland kann sich nicht allein auf den naturgemäß schwankenden Stromertrag aus Wind oder Sonne verlassen. Der deutsche Steinkohlenbergbau soll 2018 enden, Strom aus importiertem Öl und Gas ist teuer. Die Verstromung von Braunkohle bleibt daher auf absehbare Zeit die einzige risikofreie und bezahlbare Möglichkeit, die deutsche Stromversorgung aus heimischer Kraft stabil zu gewährleisten.

Aber die Politik verunsichert die Energiekonzerne. Braunkohlestrom ist mit drei bis vier Cent pro Kilowattstunde zwar billig. Doch an sonnigen Tagen fließt der per Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) subventionierte Ökostrom faktisch kostenlos ins Netz. Der staatliche schwedische Vattenfall-Konzern, durch die „Privatisierung“ von DDR-Firmen zweitgrößter Braunkohleförderer Deutschlands, mußte bereits Milliardenwerte abschreiben. Ab 2014 soll das Geschäft organisatorisch vom skandinavischen Heimatmarkt getrennt werden. Eine Ankündigung, die Berliner Politiker aufschreckte, worauf Vattenfall-Deutschlandchef Tuomo Hatakka versicherte, daß der Konzern „auf absehbare Zeit Eigentümer seiner kontinentaleuropäischen Aktivitäten“ bleibe.

Milliardenschwere Oligarchen denken aber weiter. So etwa die tschechisch-slowakische Energie- und Industrie-Holding EPH. Das Investmentkonglomerat gehört dem größten tschechischen Finanzdienstleister PPF, hinter dem der Prager Mulimilliardär Petr Kellner steckt, sowie dem aus Brünn stammenden Investor Daniel Křetínský sowie der slowakischen Finanzgruppe J&T, die 1995 von Ivan Jakabovič und Patrik Tkáč (dem Sohn des Chefs der Staatsbank IRB) gegründet wurde. Der teilstaatliche tschechische Stromkonzern ČEZ, der 1999 zusammen mit der EPH-Tochter EP Energy (EPE) die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) übernahm, hat seine Anteile bereits 2011 an die EPE verkauft.

Auch der deutsche Energiemarktführer, der Düsseldorfer Eon-Konzern, sieht sich durch die Energiewende unter Druck. Eon hat sich bereits von Anteilen am russischen Gazprom-Konzern getrennt. Der Gasnetzbetreiber Open Grid Europe ging an westliche und arabische Investoren. Jetzt soll laut Medienberichten auch das Helmstedter Braunkohlerevier einschließlich des Großkraftwerks Buschhaus zur Disposition stehen. Interesse zeigt erneut die EPE. Eine Mibrag-Sprecherin bestätigte gegenüber der Welt lediglich „Verhandlungen zwischen den Energiekonzernen“, in denen es um einen möglichen Weiterbetrieb des Kraftwerks Buschhaus nach 2017 gehe, wenn die Vorkommen aus dem Tagebau Schöningen erschöpft sind.

Es wäre nicht das erste große EPH-Engagement. Neben der Mibrag hat die Tochter EPE bereits die polnische Steinkohlefördergesellschaft PG Silesia übernommen. Die tschechisch-slowakische Holding ist damit nach RWE Power (vormals Rheinbraun) und Vattenfall Europe Mining (einst Laubag) drittgrößter deutscher Braunkohleförderer. Im Juli 2012 wurde die Saale Energie GmbH und damit 41,9 Prozent am Braunkohlekraftwerk Schkopau vom US-Unternehmen NRG Energy erworben – auch um die Abnahme der Mibrag-Kohle langfristig zu sichern, wie EPE-Generaldirektor Jan Špringl versicherte. EPE ist bereits der größte Wärmelieferant und der zweitgrößte Stromlieferant in der Tschechei. In der Slowakei wurden von Gaz de France und Eon Anteile am Gaskonzern SPP erworben. Die Regierung in Preßburg hatte als Mehrheitseigner dem Eigentümerwechsel unter der Bedingung zugestimmt, daß es höhere Dividendenzahlungen an den slowakischen Staat gebe und die Gaspreise für die Haushalte stabil blieben. Zuvor hatte allerdings Premier Robert Fico angesichts starker Energiepreissteigerungen gedroht, ausländische Energiekonzerne notfalls zu enteignen.

Auf den EPH-Anteilseigner J&T war diese Drohung jedoch nicht gemünzt. Er gilt als wichtigster Unterstützer der postkommunistischen Regierungspartei Smer-SD von Fico. EPH-Anteilseigner Křetínský ist seit diesem Jahr sogar Vorstandsvorsitzender des slowakischen Gaskonzerns SPP.

Während in Deutschland über Energiewende, Strompreise und die Rettung des Weltklimas gestritten wird, werden andernorts von ausländischen Investoren Milliardengeschäfte angestoßen. Braunkohlekraftwerke sind auch keine Auslaufmodelle. Während bei Altanlagen der Wirkungsgrad bei lediglich einem Drittel lag, können moderne Neubauten bereits 45 Prozent der eingesetzten Kohleenergie in Strom umwandeln. Die Rauchgasentschwefelung reduziert das umweltschädliche Schwefeldioxid fast vollständig zu Gips oder Ammoniumsulfat um. Lediglich das Argument „heimische Energieversorgung“ gilt bei der Braunkohle nur noch bedingt.

Foto: Vattenfall-Braunkohlekraftwerk Boxberg: Westliche Konzerne wollen aus dem Geschäft aussteigen

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