© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Zwei Seiten derselben Euro-Münze
Bankenkrise: Die Grünen reden vom Sparerschutz, meinen aber damit neue Kompetenzen für die EU
Wilhelm Hankel

Welche Summen gegebenenfalls notwendig sind, kann ich heute nicht sagen. Das können wir erst Mitte des nächsten Jahres sagen“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sat1-Sommerinterview auf die Frage nach einem dritten Rettungspaket für Griechenland. Die wahlkämpfende CDU-Chefin findet, daß das Krisenland in den vergangenen Monaten „sehr, sehr gute Fortschritte gemacht“ hat. Einen weiteren Schuldenerlaß für Griechenland sehe sie auch nicht, „denn daraus würde eine Diskussion entstehen, wer sonst noch alles einen solchen Schuldenschnitt haben möchte. Das würde eine Verunsicherung in der Euro-Zone herbeiführen, die uns vielleicht wieder an den Anfang bringt“, meinte Kanzlerin Merkel. Waren die im Rahmen der ersten beiden Rettungsprogramme vereinbarten 237 Milliarden Euro – 22.000 Euro pro Einwohner Griechenlands – daher gut investiertes Geld?

Nein, sagt eine englischsprachige Studie über die „Gläubigerbeteiligung bei der Bankenkrise in der Euro-Zone“, die ausgerechnet im Auftrag der flammendsten Euro-Befürworter entstand. Der Ökonom Hans-Joachim Dübel vom Institut Finpolconsult hat darin für die Bundestags- sowie die Fraktion der Grünen im EU-Parlament eine der kompetentesten Analysen der europäischen Finanz- und Bankenkrise erstellt.

Im Blick ist darin exemplarisch, was seit 2007/08 in den führenden Banken Griechenlands, Spaniens und Zyperns geschehen ist. Ein Großteil der Steuerzahlermilliarden wäre gar nicht notwendig gewesen, wären die internationalen Gläubiger stärker beteiligt worden. Aus dem Bankensanierungsfall Irland hätten die Euro-Retter nichts gelernt. Dübel zeigt auf, wie die Banken der drei südlichen Euro-Länder im zweiten Akt der Weltfinanzkrise – die erste hatte bereits 2001 in den USA begonnen – zu akuten Sanierungsfällen verkommen und daß sie jetzt ohne staatliche Hilfe kaum noch zu retten sind. Es wird die Frage gestellt: Wer oder was hat hier versagt? Das Bankenmanagement, die Bankenaufsicht oder ein wenig durchdachtes, unsystematisches Regelwerk der einschlägigen Sparer- und Einlegervorschriften?

Den grünen Studienauftraggebern wäre uneingeschränktes Lob zu zollen, wenn ihr Motiv tatsächlich der Sparer- und Einlegerschutz wäre, wie er in der legendären deutschen Banken-Enquete von 1969 verbindlich für Deutschland festgelegt wurde und dann zum Modell für andere europäische Staaten avancierte. Doch was den europhilen Grünen tatsächlich vorschwebt, offenbaren sie mit plakativer Deutlichkeit in den Schlußfolgerungen, die sie aus dem traurigen Befund der Bankenrettungsanalyse ziehen: eine europäische, nach dem Muster des 1933/35 unter Präsident Franklin D. Roosevelt eingeführten US-Einlagensicherungsfonds (Federal Deposit Insurance Corporation/FDIC) konzipierte EU-Behörde. Die neue Regulierungs- und Sanierungsinstitution soll beides in einem sein: Bankpolizei und Rettungsinstanz. Oder im Klartext: Die Rücklagen der soliden europäischen Banken sollen im Insolvenzfall das Desaster der unseriösen finanzieren.

Es wäre ein trauriges Banken-Europa, wenn es nur so funktionierte: Ohne scharfen, dem Kunden nützlichen Wettbewerb der Institute. Ohne das dafür erforderliche marktwirtschaftliche Richtschwert des Konkursrichters. Ohne eine Managerhaftung, die wirklich weh tut und nicht über die Staatskasse bezahlt und ausgehebelt wird. Die Empfehlungen klingen so, als ob sich die grünen Studienauftraggeber für ihre künftigen Aufgaben und Pöstchen im EU-Kompetenzmachtkampf bereits vorsorglich in Stellung bringen. Denn eines steht jetzt schon fest: Die Bankensicherheit nimmt nicht zu, wenn sich lediglich die Aufsicht verdoppelt und zur nationalen eine europäische hinzugefügt wird.

Doch in einem ist das grüne Konzept von unerbittlicher Stringenz: Wenn man auf der Ebene der Staaten den durch EU-Verträge eigentlich verbotenen zwischenstaatlichen Finanz- und Budgetausgleich aushebelt – denn darauf laufen Rettungsfonds (EFSF, ESM) und unbegrenzte Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (OMT) hinaus – warum nicht parallel dazu auch auf Ebene der Banken? Ist es Zufall, daß Banken und Staaten, die ihr Überleben genau diesen Hilfen verdanken, seit der Finanzkrise 2008 faktisch als identisch angesehen werden? Die gemeinsame Überschrift müßte lauten: Wenn wir Staatskonkurse vermeiden wollen, müssen wir auch Bankenkonkurse dieser Staaten vermeiden, ja damit sogar anfangen!

Womit die eigentliche Schwachstelle der grünen Bankenanalyse bloßgelegt wird: ihre Beschränkung auf das rein Bilanzierungstechnische des zu untersuchenden Prozesses, auf dessen Symptome statt auf seine Ursachen. Statt zu fragen: Wie kommen die Banken zu ihren verheerenden Bilanzen, werden diese als vom Finanzhimmel herabgefallener Meteoritenschrott eines unerforschlichen Alls behandelt. Kein Wort zur Frage: Was steckt letztlich dahinter – Managerwahn und Unverstand oder die unwiderstehliche Verführung einer Geldpolitik, die diese Institute überhaupt erst auf die falsche Bahn gebracht hat, ja geradezu zwangsläufig bringen mußte?

Das Symbol „Euro“ kommt in der Studie – außer als Bilanzierungsgröße – nicht vor. Aber gerade die europäische Währungsunion ist es, die den Wahn der Bankmanager nach grenzenloser Expansion ihrer Aktiv- wie Passivgeschäfte ausgelöst und bis zum Zerreißen der Bilanzierungsgrenzen erst ermöglicht hat. Der Euro war es, der bis zum Ausbruch der Finanzkrise alle Bonitäts-, Rating- und Konditionenunterschiede bei Kreditgewährung wie Verschuldung ausgelöschte – ein griechisches Papier wurde daher wie ein deutsches verzinst.

Im Bankgeschäft gilt die Regel, daß man nur an Geschäften verdient, die man macht und nicht denen, die man etwa wegen des Risikos unterläßt. Daran soll sich etwas ändern, wenn man nun die Sicherheitsvorschriften auf der einen Seite verschärft, aber die doppelte Verführung zum Bankrisiko auf EU-Ebene aufrechterhält: volkswirtschaftlich durch den dieses Risiko nivellierenden Euro, betriebswirtschaftliche durch eine Rückversicherung à la Euro-FDIC?

Nein: Die Schlußfolgerungen der Grünen zeigen, daß es ihnen in der Finanz- und Euro-Krise nicht um ein Mehr an Sparerschutz geht, sondern wie bisher um immer mehr „Europa“. Die Studie eignet sich aber vorzüglich für ein Bankenseminar, das der Grünen-Führung den Zusammenhang zwischen Geldgeschäft und Geldpolitik aufzeigt. Schlechte Geldpolitik und schlechte Bankbilanzen sind nämlich nur zwei Seiten ein und derselben Euro-Münze.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel ist leitete im Wirtschaftsministerium die Bankenenquete, die den Anstoß zur deutschen Einlagensicherung gab. In seinem Buch „Die Euro-Bombe wird entschärft“ (Universitas 2013) schildert er die Einführung von Parallelwährungen in der EU.

finpolconsult.de

Foto: Grüne Euro-Visionen: Zum das Risiko nivellierenden Euro kommt eine betriebswirtschaftliche Versicherung durch einen EU-Sicherungsfonds

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