© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der patzige Herr Schäuble
Ronald Gläser

Kommt ein drittes Hilfspaket für Griechenland? Wird es einen Schuldenschnitt geben? Oder beides? Diese Fragen wurden bis vor kurzem von der Regierung mit Nein beantwortet. Doch dann hat sich die Lage über Nacht geändert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begann vergangene Woche, den Deutschen häppchenweise die Wahrheit aufzutischen. Bei zwei Wahlkampfterminen und einer Klausurtagung teilte er wie beiläufig mit: Ach übrigens, Griechenland bekommt ein neues Rettungspaket. Die Kanzlerin behauptete umgehend, das habe „doch jeder gewußt“.

Wirklich? Soviel ist richtig: Andere haben schon vor Jahren gewarnt, daß Griechenland sich zu einem Faß ohne Boden entwickelt. So hat die Troika Anfang 2012 festgestellt, daß das Land ab 2015 weitere 50 Milliarden Euro braucht. „Externer Finanzierungsbedarf“ hieß der Fachbegriff dafür in einem Troika-Papier. Die entsprechende Passage sei jedoch „auch auf Druck der deutschen Regierung hin“ entfernt worden, berichtete der Spiegel Anfang 2012 seinerzeit.

Ganz so falsch ist Merkels Aussage also nicht. Die Risiken waren bekannt. Nur: Ihre Regierung hat bislang alles getan, um die Angelegenheit zu vertuschen. Und Schäuble gehört ganz klar dazu. Er hatte sich 2010 zunächst gegen Euro-Rettungsmaßnahmen ausgesprochen. Dann hatte er in Aussicht gestellt, die Hilfen würden auslaufen.

Auf dem Tag der offenen Tür der Bundesregierung stellte sich Schäuble den Bürgern, und die waren teilweise skeptisch, was die Eurorettungspolitik angeht. Schäuble trat vor etwa 300 Personen im Saal der Bundespressekonferenz auf. Viele fanden keinen Sitzplatz. Die Gäste klatschten, was den Minister und die moderierende Journalistin staunen ließ. Denn geklatscht wird hier sonst nie.

Bei den anschließenden Fragen ging es aber zur Sache. Schäuble wurde mit Aussagen konfrontiert, die er im Bundestag selten zu hören bekommt. Ein gut vorbereiteter Mann fragte ihn: „Warum müssen wir Deutsche die Spanier retten, wo doch der Durchschnittsspanier um sage und schreibe 90.000 Euro reicher ist als der Durchschnittsdeutsche?“ Schäuble antwortete anfangs noch gelassen: „Statistiken sind irreführend. Sie müssen die stabile Alterssicherung und die hohen Rentenansprüche dagegenrechnen.“ So sagt das auch Angela Merkel. Es ist eine Rechnung, die vor allem Jüngere angesichts der demographischen Entwicklung kaum nachvollziehen können. Nächster Redner, gleiches Thema: „Das ist doch Salamitaktik“, klagte ein Mann in Shorts mit Blick auf Griechenland. Als ein anderer den Namen Hans-Olaf Henkel erwähnte, wurde Schäuble patzig: „Henkel und andere Experten, die keine sind – die sitzen nicht auf den Gipfeltreffen.“

Die Diskussion glitt ins Grundsätzliche. Schäuble rechtfertigte hohe Steuern mit dem Wunsch nach „sozialer Gerechtigkeit“. Der Staat habe für jeden ein „menschenwürdiges Dasein“ zu schaffen. Ein Reporter des Deutschlandfunks vermerkte eine „gestiegene Taktzahl von Schäubles Armbewegungen, Hacken und Kneten in der Luft“. Die Bürger hatten den Minister sichtlich aus der Ruhe gebracht.

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