© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Umwelt
Weltfremde Annahmen
Jörg Fischer

Wenn deutsche Ökologen die umweltfreundlichsten Autos küren, überrascht das Ergebnis selten: Sie vertrauen blind den wirklichkeitsfremden EU-Normverbrauchsangaben und plazieren Kleinstwagen – tauglich für kinderlose Paare ohne Hund – ganz vorn. Doch daß ein winziger Škoda Citigo weniger als der dicke Dienstmercedes des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann schluckt, weiß jeder. Der unweit der Berliner taz residierende Verkehrsclub Deutschland (VCD) macht es sich nicht ganz so einfach. In seiner „Auto-Umweltliste 2013/2014“ wird das deutsche „Familienauto“ und der Migrantenhaushalt mit der Kategorie „Siebensitzer“ berücksichtigt. Also endlich einmal keine weltfremden Kaufempfehlungen?

Ein Blick ins Kleingedruckte verursacht Stirnrunzeln. Um den „Trend oft zu überdimensionierten Autos“ zu stoppen, hat der VCD kurzerhand diktiert, wieviel Auto eine Familie braucht: 4,20 Meter lang, fünf Sitze, vier Türen. Daß die dritte Sitzreihe für Großfamilien im zweitbesten Siebensitzer nur für Kinder bis 35 Kilogramm taugt, ist skurril genug. Doch das Gepäck muß dann aufs Dach – was den Verbrauch spürbar erhöht. Und warum gesteht der VCD dem Kompaktauto 300, dem Familienwagen aber nur 400 Liter Kofferraum zu? Weil dann der Testsieger Toyota Prius keine Chance gehabt hätte? Der 26.800 Euro teure Japaner hat einen Hybridantrieb aus Benzin- und Elektromotor, der Platz kostet und Gewicht mitbringt. Auch die gepriesenen Erdgasautos (CNG) haben diese Probleme – und zwei mehr: Im Gegensatz zu Autogas/LPG- sind Erdgastankstellen vielerorts selten. Und manche Parkhäuser und Tiefgaragen verweigern Gasautos aus Sicherheitsgründen die Einfahrt. Mit dem Opel Zafira Diesel landet aber immerhin ein Vernunftauto auf dem VCD-Siegertreppchen.

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