© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Mit Guerillataktik gegen Hollandes Homo-Ehe
Frankreich: Auch nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe geben deren Gegner nicht auf
Friedrich-Thorsten Müller

Wenn es ein innenpolitisches Resümee für das erste Jahr der Präsidentschaft François Hollandes in Frankreich gibt, ist es dies: Die Zukunft des zivilen Ungehorsams und des Straßenprotests in Frankreich ist bürgerlich-rechts. Es ist wohl keine Übertreibung, daß die in Frankreich seit 29. Mai mögliche gleichgeschlechtliche Ehe sowie das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare von vielen als zivilisatorischer Bruch wahrgenommen werden.

Nicht umsonst sind im Rahmen der „Manif pour tous“ (Demonstration für alle) in den Monaten vor der Verabschiedung des Gesetzes an drei zentralen Protesttagen insgesamt Millionen Bürger auf die Straße gegangen. Ein überraschender Mobilisierungserfolg für das auch in Frankreich Demonstrationen eher abgeneigte konservative Lager.

Ein Erfolg auch, der den Organisatoren des Protests Mut macht, ihre Aktivitäten trotz Inkrafttreten des Gesetzes und dem Rückzugs der Galionsfigur Virginie Tellenne alias Frigide Barjot fortzuführen. Dabei können sie landesweit auf ein großes Netz lokaler Aktionsgruppen zurückgreifen, die begierig sind, ihre Unzufriedenheit mit der sozialistischen Regierung – bevorzugt mit Guerilla-Aktionen – gewaltfrei, aber medienwirksam in die Öffentlichkeit zu tragen.

Der traditionellen zweimonatigen Sommerpause im Juli und August zum Trotz hat sich insbesondere eine Untergruppierung der „Manif pour tous“, die sich selbst „Wächter“ nennt, zum Ziel gesetzt, die Linke jederzeit und überall an die Ablehung der Homo-Ehe zu erinnern. So tauchen ihre charakteristischen blau-magentafarbenen Protestfahnen plötzlich unvermittelt in den Kamerabildern der Tour de France auf. Darüber hinaus inszeniert sich die Gruppe mit einer 600-Kilometer-Wanderung durch Frankreich, bei der sie den Kontakt mit der Bevölkerung und Mandatsträgern sucht und die am 31. August in Paris zu Ende gehen soll. Des weiteren müssen linke Mandatsträger jederzeit damit rechnen, mit Anti-Homo-Ehe-Sprechchören empfangen zu werden, wo immer sie sich blicken lassen.

Selbst ins europäische Ausland wird der Protest getragen. Nachdem Ende Juli 200 Franzosen vor dem italienischen Parlament in Rom gegen ein neues Anti-Homophobie-Gesetz demonstrierten, ist die Bewegung inzwischen auch in München aktiv geworden (Seite 24). Ziel ist es, eine gesamteuropäische Bürgerbewegung zu werden, da die Homo-Ehe ein gesamteuropäisches Phänomen sei. Die Internetseite www.lamanifpourtous.fr ist folgerichtig inzwischen auch auf deutsch, spanisch, russisch und englisch verfügbar.

Vor allem aber macht sich die Bewegung – neben langwierigen juristischen Auseinandersetzungen – im Moment vor allem für die sie unterstützenden Bürgermeister stark, die es strikt ablehnen, in ihren Rathäusern Homoehen zuzulassen. Etappenziel ist es dabei, die Trauung Homosexueller zumindest zu einem Gewissensentscheid zu machen. Eine entsprechende Petition sammelte aktuell 63.800 Unterstützungsunterschriften. Eine Sommeruniversität mit 1.000 Teilnehmern und 80 Rednern, darunter dem Unternehmer Charles Beigbeder und dem Schriftsteller Denis Tillinac, soll im September darüber hinaus eine Agenda „für das zweite Jahr“ entwickeln. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie man sich zu den französischen Kommunalwahlen 2014 positioniert und wie man erreichen kann, daß ein zukünftiger Regierungswechsel zu einer Abschaffung des nach der Justizministerin „loi Taubira“ genannten Gesetzes führen kann.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen