© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Fethullah Gülen. Millionen bewundern ihn weltweit, immer mehr auch in Deutschland
Allahs Erneuerer
Günther Deschner

Millionen Moslems weltweit verehren ihn: Der türkische Prediger Fethullah Gülen inszeniert sich als eine Art „Gandhi des Islam“. Seine Gemeinde findet auch in Deutschland mehr und mehr Anhänger. Zuletzt setzte ihn das US-Magazin Time auf seine Liste der hundert einflußreichsten Persönlichkeiten, nannte ihn einen „faszinierenden religiösen Führer“, der zum „Anwalt einer Modernisierung der moslemischen Welt“ geworden sei. Doch gleichzeitig charakterisiert es den in den USA lebenden pensionierten Imam als „schattenhaften Puppenspieler“. US-Diplomaten nennen die Gülen-Gemeinde laut Wiki-
Leaks-Depeschen die mächtigste islamistische Gruppe in der Türkei: „Sie kontrolliert Handel und Wirtschaft und hat die politische Szene tief unterwandert.“

Geboren 1938 als Sohn eines anatolischen Dorfimams erhielt Gülen – eine Zeitlang gemeinsam mit Cemaleddin Kaplan, dem späteren „Kalifen von Köln“ – Unterricht in einer Moschee in Erzurum. Dort hörte er die Lehren des Sufi-Predigers Nursi und schloß sich dessen Gemeinde an.

Als Ankara im Kampf gegen den Kommunismus in den achtziger Jahren die „türkisch-islamische Synthese“ beschwor, ergriff Gülen die Gelegenheit: Im ganzen Land gründete er Schulen mit religiös-nationalistischer Agenda und beriet die säkulare Ministerpräsidentin Tansu Çiller. Seine Gefolgsleute forderte er auf, ein „neues moslemisches Zeitalter“ zu begründen und in den Staatsdienst einzutreten: „Ihr müßt in die Arterien des Systems eindringen, ohne bemerkt zu werden, müßt warten, bis der Moment gekommen ist. Handeln wir voreilig, wird die Welt uns die Köpfe einschlagen.“ Die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek formuliert es heute so: „Nach außen hin vertritt er eine Art Islam light, nach innen propagiert er einen machtbewußten islamischen Chauvinismus.“

Heute gilt Gülen in der Türkei als ein Erneuerer des Islams und als geistlicher Mentor der neuen anatolischen Elite. „Baut Schulen statt Moscheen“, lautet sein Appell, denn „unser wichtigster Dschihad ist die Bildung!“ Seine Anhänger haben Unternehmen gegründet, darunter Versicherungen, eine Bank, TV-Sender und Massenblätter, eine Universität und Schulen, Schulen, Schulen!

Seit rund zwanzig Jahren ist die Gülen-Bewegung auch in Deutschland aktiv. Von Gülen inspirierte Privatschulen finden sich in Berlin, Köln, Stuttgart und weiteren Großstädten. Dazu kommt ein Netz von fast 200 Nachhilfeinstituten. Zwar ist der Unterricht der Schulen an staatlichen Lehrplänen ausgerichtet, doch bei Freizeitangeboten, Nachhilfetreffs und in „Lichthäuser“ genannten Studentenwohnheimen, von denen es allein in Berlin mehr als zwanzig gibt, wird laut Aussteigern moralischer Druck auf Schüler und Eltern ausgeübt. Und so wächst hierzulande die Kritik an Gülen – ebenso wie die Bewegung selbst.

www.de.fgulen.com

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