© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Lesereinspruch

Allzu menschlich

Zu: „Die Kutte des Idioten“ von Günter Zehm (JF 32/13)

Jeder Verfechter des freien Denkens und der Wahrheit ist zwangsläufig ein Außenseiter und Einzelgänger, denn für das Gruppenwesen Mensch geht es normalerweise um Zusammenarbeit und Vermeidung von Reibereien, nicht um Wahrheit, und dafür müssen die Menschen anerkanntes und angepaßtes Rollenspiel erlernen, verschleiern, was ihnen wirklich durch den Kopf geht, und viel lügen, denn die Wahrheit ist oft störend.

Da der gewöhnliche Mensch als Gemeinschaftswesen immer Verbündete sucht, erscheint der Einzelgänger aus Sicht der Gesellschaft als Narr oder Idiot, weil er es nicht versteht, sich anzupassen und mitzutun, und er kann daran zerbrechen, wie Friedrich Nietzsche, oder er kann damit seinen Frieden schließen und mit einem stillen, inneren Glück zufrieden sein, wie Botho Strauß. Das sei ihm gegönnt, denn sich was zurechtlügen ist zwar menschlich, in einem tieferen Sinn auch animalisch, weil natürlich.

Die Wahrheit aber ist göttlich. Verfechter der Wahrheit sind bewundernswert; leicht haben sie es nicht.

Wolfgang Richter, Staudernheim

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