© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/13 / 16. August 2013

Von Wurzeln und Blüten
Geschlechterdebatte: Für Bernhard Lassahn gibt es ein Leben nach dem Feminismus
Ellen Kositza

Frauen, heißt es, werden in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligt. Diese „Gewißheit“ und das tragische Gefühl dabei sind im Weltwissen fest verankert.

Frauen, so geht die Klage, verdienen weniger Geld, werden sprachlich vernachlässigt, stellen weniger Staatsoberhäupter, werden seltener als Experten geladen, kommen nicht zu Wort, erhalten so gut wie nie Nobelpreise in naturwissenschaftlichen Forschungsrichtungen, werden unterdurchschnittlich häufig mit Professorenposten bedacht.

Und warum? Die feministische Begründung lautet: Weil man sie nicht ermutigt! Weil man sie kurzhält! Ihnen nichts zutraut! Weil die Bosse und Entscheider Männer sind!

Bernhard Lassahn hat sich gewundert. Ihm erschien die laut und weit hallende Klage unverhältnismäßig. Er fand sie nach eingehender Recherche direkt weltfremd. Lassahn hat eine kleine, ganz und gar unvollständige Liste realexistierender und teils bestverkaufter Buchtitel erstellt. Hier ein winziger Ausschnitt daraus, beginnend mit dem vielfach aufgelegten Klassiker von Valerie Solanas, dem „Manifest zur Vernichtung der Männer“. Des weiteren: „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“, „Der Mann. Ein Irrtum der Natur?“, „Irren ist männlich“, „Ein bißchen Männerhaß steht jeder Frau“, „Hunde sind die besser Männer“, „Was tun mit nutzlosen Männern?“

Wer Spaß daran hat, findet Dutzende ähnlich geartete Titel. Ersetzt man das Feindbild Mann durch das Feindbild Frau, wird es deutlich farbloser. Dezidierte Frauenhasser oder- verächter scheint es kaum zu geben.

Nächster, nur halb lustiger Versuch: Man gebe in die Suchmaske des Internets die Worte „Frauen können besser“ ein. Über vierzig Millionen Treffer. Dann: „Männer können besser“: fast vierundzwanzig Millionen Treffer. Fast Augenhöhe, könnte der Gönner grinsen. Unter den Frauen-Suchwörtern finden wir vielfältige Listen. Frauen können besser: schlau sein, Autofahren, Fußball spielen, schönschreiben, riechen, über Probleme reden und fast alles andere auch. Bei der Männer-können-besser-Abfrage weist gleich der erste Treffer die Richtung. Die Überschrift lautet nämlich: „Zwanzig Dinge, die Frauen besser können als Männer“.

Heißt: Der Buchmarkt jedenfalls und die Netzöffentlichkeit, sie stehen ganz und gar auf seiten der Frau. Aber muß überhaupt in Geschlechterfragen derart wettbewerbsorientiert gerangelt werden? Wer kann das wollen? Klar, die Unterdrückten. In deren Lesart: die feministischen Kämpferinnen. Eine Randgruppe also? Nein, es handelt sich um ein Massenphänomen. Lassahn beschreibt in seinem Buch „Frau ohne Welt“, dem ersten Teil seiner „Trilogie zur Rettung der Liebe“ so minutiös wie eloquent, inwiefern der feministische Virus seit Jahrzehnten die Köpfe infiltriert.

Der Autor, Jahrgang 1951, zitiert Kernsätze aus Grundlagenwerken des Feminismus:„Der Mann ist eine unvollständige Frau, eine wandelnde Fehlgeburt, die schon im Genstadium verkrüppelt ist. (…) Mann sein heißt, kaputt sein …“ (Solanas). Oder aus der Feder der jüngst verstorbenen „Vorkämpferin“ Shulamith Firestone: „Die Liebe ist – wahrscheinlich mehr noch als das Kinderkriegen – der Schlüssel zur Unterdrückung der Frau.“

Den Zeitgenossen, die finden, solche Schmährufe seien womöglich als „Irrlichter einer ansonsten guten Bewegung“ zu werten, entgegnet Lassahn: „Wer das meint, der würde Ja zur Krankheit sagen und sich nur etwas mehr Kosmetik für die Symptome wünschen. Es geht um die Spitzen von riesigen Eisbergen. Es sind keine Randerscheinungen.“

In seinem schmalen Bändchen gräbt Lassahn wortgewandt und argumentenreich – also keinesfalls auf rein populistischen Fährten – nach den Wurzeln des Geschlechterkriegs und seziert dessen Blüten. „Gender“ übersetzt er mit „Sitte“, ein Sammelbegriff für kulturelle und soziale Einflüsse. Das Problem an der heutigen allumfassenden „Querschnittsaufgabe“ des Gender Mainstreamings sei nicht nur der erste Teil des Wortgetüms. Wer mit „Gender“ argumentiert, streite Einflüsse der Natur ab. Genauso vertrackt sei das Diktat des „Mainstreams“, eines Stroms, der keine Nebenflüsse mehr kennt, der mit reißender Macht die einstmals vielfältige Landschaft überschwemmt.

Dabei kommen die Gendermacher keineswegs als unabhängige Bewegung „von unten“. Sämtliche tonangebenden Frauenorganisationen werden hoch alimentiert. Mit dem Mainstreaming-Wort, so Lassahn, „nehmen die sexistischen Feministen die Rückendeckung durch eine große Mehrheit für sich in Anspruch, wie es einst die Bolschewisten taten: Bolschewiki sind übersetzt die ‘Mehrheitler’“.

Jene subventionierten Gender-Dogmatiker haben sich zum Ziel gesetzt, das geduldete Nebeneinander von Ausnahme und Regel zu bekämpfen. Die Regel – die auf Nachwuchs angelegte Ehe zwischen Mann und Frau – wurde zum „heteronormativen Zwangsbild“ erklärt, „reproductive rights“ wurden als „Recht auf Abtreibung“ umgedeutet und zur globalen Aufgabe bestimmt.

Gender-Denker wollen die Ausnahme zur Regel machen. Unter Druck steht heute die ehemals als normal geltende Lebensform mit einem weiblichen und einem männlichen Elternteil ohne Scheidungsabsichten. Ein totalitäres System ist im Anmarsch, findet Lassahn. Und, das fragt er wie nebenbei, wie konnte es eigentlich in einem grundliberalen, durchgegenderten Land wie Norwegen in den vergangenen Jahren zu einer regelrechten „Vergewaltigungs-Epidemie“ kommen? Die Täter sind keine Norweger. Es ist von „orientalischen Vergewaltigungen“ die Rede. Lassahn sagt, die Frauen würden als Repräsentanten eines feministisch-westlichen Lebensstils angegriffen. Die muslimischen Zuwanderer merken sehr wohl, schreibt Lassahn, daß diese Frauen niemanden mehr respektieren. „Sie haben keine Sitte. Keine Moral. Keinen Bruder. Keine Kinder. Keinen Mann. Keinen Vater. Und damit keinen Schutz. Der orientalische Vergewaltiger vergreift sich an dem Typus Frau, der seine Werte verlacht und bedroht. Es ist außerdem ein Krieg gegen den norwegischen Mann, bei dem der Mann zum Rächer und Eroberer zugleich wird.“

Man darf keinesfalls denken, Bernhard Lassahn sei ein antiemanzipatorischer Frustmensch. Der in Coswig an der Elbe geborene Germanist ist seit Jahrzehnten als Literat, Lieddichter und Kabarettist erfolgreich. Seine prominentesten Meriten hat er als Autor der fröhlichen Käpt’n-Blaubär-Geschichten für die Sendung mit der Maus erworben. So ist es wohl: Man kann manchem Scharmützel, bei dem andere eine dicke Schlagader bekommen, mit einem Augenzwinkern begegnen. Doch irgendwann ist Schluß mit lustig.

Bernhard Lassahn: Frau ohne Welt. Trilogie zur Rettung der Liebe. Teil 1: Der Krieg gegen den Mann. Edition Sonderwege (Manuscriptum), Waltrop 2013, kartoniert, 176 Seiten, 14,90 Euro

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