© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/13 / 16. August 2013

Aus drei mach eins
Länderfusion: In Mitteldeutschland wirbt eine Initiative dafür, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt zusammenzulegen – nicht zum ersten Mal
Paul Leonhard

Wenige politische Diskussionen hierzulande kehren mit einer solchen Regelmäßigkeit wieder, wie die Debatte über eine Neugliederung der Bundesländer. Im Schnitt alle zwei Jahre, gerne im Sommerloch, wird über das Für uns Wider einer Zusammenlegung von Ländern diskutiert, werden die vermeintlichen Vorteile („Einsparungen“) den befürchteten Nachteilen („Identitätsverlust“) gegenübergestellt. Seit zwei Wochen ist es wieder soweit. Der Ausgang dieser Debatte ist im übrigen auch vorhersehbar. Sie verläuft regelmäßig im Sande.

Doch abseits folgenloser Diskussionen über eine Föderalismusreform gibt es auch ganz konkrete Versuche, die Landkarte zu verändern. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen etwa arbeitet eine Initiative derzeit an einem Volksbegehren mit dem Ziel, die drei Länder zu verschmelzen. Zum 1. Januar 2020 könnte es soweit sein. Dieses Ziel hat sich die Initiative gesetzt, an deren Spitze der sachsen-anhaltinische SPD-Landtagsabgeordnete Bernward Rothe steht. Nach seinen Vorstellungen sollen gleich nach der Bundestagswahl im September die Einwohner des Siedlungs- und Wirtschaftsraums Halle-Leipzig für eine Volksbefragung votieren. „Die beiden Städte bilden mit den angrenzenden Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und Saalekreis einen dafür geeigneten Raum“, so Rothe in einem Schreiben an die Mitglieder der Landtage Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens. Zwei Jahre später könnten dann in den drei Bundesländern Volksabstimmungen über eine Fusion stattfinden. Vorzugsvariante ist dabei die Vollfusion. Sofern es nicht in allen drei Ländern Mehrheiten für die Fusion gibt, sei eine schrittweise Vereinigung Mitteldeutschlands anzustreben, heißt es in dem Schreiben. Auch einen Namen für das neue Gebilde hat der Jurist Rothe bereits: „Sachsen-Thüringen“.

Es ist nicht der erste derartige Vorstoß zu einer Länderneubildung. Rothe erinnert an die Denkschrift „Leipzig und Mitteldeutschland“ von 1928. In der hatte der Leipziger Stadtrat Walter Leiske einen Ratsbeschluß zur Mitteldeutschland-Frage gefordert. Auch bei der Neugründung der Länder 1990 stand diese Variante im Raum. Auf landespolitischer Ebene hatte es 2002 in Halle die Auftaktveranstaltung einer „Initiative Mitteldeutschland“ gegeben, die noch heute existiert. Damals wurde eine gemeinsame Agenda der drei mitteldeutschen Länder erarbeitet. Vorgesehen war, zahlreiche Behörden zusammenzulegen, um so Personal und Geld zu sparen, und enger zusammenzuarbeiten. Eine Fusion wurde aber von den Regierungschefs abgelehnt.

Daß die stetigen Fusionsvorschläge vor allem aus Sachsen-Anhalt beziehungsweise der SPD kommen, mag mit der wirtschaftlichen Situation des flächenmäßig größten der betroffenen drei Länder zusammenhängen. Die Arbeitslosenquote liegt hier bei 11,8 Prozent. Die Schulden betragen 20,66 Milliarden Euro, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von knapp 9.000 Euro entspricht. Thüringen hat mit 8,8 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote, Schulden von 16,55 Milliarden Euro und eine pro Kopf Verschuldung von knapp 7.800 Euo. Am besten steht das seit 1990 ununterbrochen CDU-geführte Sachsen mit einer pro Kopf Verschuldung von 2.500 Euro bei einer Gesamtschuld von 5,62 Milliarden Euro und einem Bruttoinlandsprodukt von 23 400 Euro da, auch wenn die Arbeitslosenquote hier mit zehn Prozent etwas höher als die in Thüringen ist. Wenn Politiker aus Sachsen-Anhalt, wie beispielsweise vor zwei Jahren Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) von „wirtschaftlich und finanziell gesunden Ländern“ schwärmen, die „in einem gewachsenen mitteldeutschen Raum fusionieren“ sollten, ist die Skepsis insbesondere in Dresden groß. So schließt Sachsens scheidender CDU-Fraktionschef Steffen Flath zwar langfristig eine Zusammenschluß der Länder nicht aus, setzt aber vorerst allein auf eine stärkere Kooperation.

Von dieser wird aber bereits seit 1990 gesprochen, ohne daß nennenswerte Ergebnisse zu verzeichnen sind. Zu groß waren die Eifersüchteleien zwischen den Länderverwaltungen. Niemand wollte auf Behördenstandorte, Arbeitsplätze, auf den Status verzichten, resümiert der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Verwirklicht wurden bislang lediglich die Fusion der Länderversicherungsanstalten, der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zum mitteldeutschen Logistikzentrum und einige gemeinsame Gesetzesinitiativen. Schon um den Einfluß der neuen Länder im Bundesrat nicht zu schmälern, dürfe die „Eigenständigkeit der Länder nicht in Frage“ gestellt werden.

Hintergrund für die neue Initiative zur Länderfusion ist die stetig schrumpfende Zahl von Einwohnern. Prognosen gehen davon aus, daß alle drei Länder zusammen im Jahr 2060 nur noch 5,5 Millionen Einwohner haben. „Die Einwohnerzahlen werden zu klein“, befürchtet Rothe. Bernd Gerber, Landesvorsitzender der Freien Wähler, kann dieses Argument nicht nachvollziehen: „Solange die in Niedersachsen gelegene Stadt Bremen/Bremerhaven eigenständiges Bundesland bleibt, muß sich Sachsen keine Fusionsdebatte aufzwingen lassen.“

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