© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Der Revolutionär in der Sommerfrische
Hier skizzierte er den „Lohengrin“: Richard Wagners Zeit in Sachsen in Ausstellungen und Veranstaltungen
Sebastian Hennig

Der Königlich Sächsische Hofkapellmeister Richard Wagner machte 1846 mit seiner Ehefrau Minna Urlaub auf dem Bauernhof. Das Ehepaar lebte vom 14. Mai bis zum 20. Juli im Schäferschen Gut in Graupa. Zum Andenken an diese Zeit richtete Max Gaßmeyer 1907 dort eines der ersten Richard-Wagner-Museum überhaupt ein.

Den Mangel an originalen Ausstellungsstücken mußte die berührende Tatsache ausgleichen, daß Richard Wagner während seines Aufenthalts hier alle drei Aufzüge des „Lohengrin“ skizziert hatte. Wegen Wagners politischer Aktivitäten kam dieses Werk in Dresden nicht mehr auf die Bühne. Erst 1850 wurde „Lohengrin“ von Franz Liszt in Weimar uraufgeführt, während sein Verfasser schon im Schweizer Exil weilte.

Die Dresdner Bibliothek, der er sämtliche Anregungen für seine Werke entnahm, überließ er seinem Schwager Brockhaus gegen ein Darlehen. Erst 1974 wurde sie durch die Familie Brockhaus dem Museum und der Stiftung in Bayreuth geschenkt. In Dresden gibt es auch heute nichts als Programmzettel, Grafiken, Fotos und zeitgenössische Möbel.

Aber während das Wagner-Museum in Bayreuth im Jubiläumsjahr wegen Umbaumaßnahmen geschlossen bleibt, sind diese in Graupa erfolgreich abgeschlossen worden, und zum eigentlichen „Lohengrinhaus“ ist zu Jahresbeginn eine ständige Ausstellung im Jagdschloß von Graupa hinzugekommen. Im Erdgeschoß führt der Rundgang auf Richard Wagners Spuren in Sachsen. Im Festsaal der Beletage finden Veranstaltungen statt. Der Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle Christian Thielemann zeigte sich so angetan von der Wagnerstätte, daß er kurzfristig die Schirmherrschaft des neuen Museums übernahm.

Anfang Juli gab es im Schloßhof die kuriosen Richard-Wagner-Spiele mit vier Aufführungen des biographischen Spektakels „Wagners Welt: Dresden“ von Johannes Gärtner. Robby Langer, Gründungsmitglied der Dresdner freien Theatergruppe „statt-theater FASSUNGSLOS“ gab dabei den Richard Wagner, der mehrfach mit der Pferdedroschke über den Hof fuhr und sich vor dem Schloßportal in den Dresdner Maiaufstand einmischte. Die mächtige Eiche im Hof wurde als „Welteiche“ von anmutigen Elfen der Jugendkunstschule Schloß Albrechtsburg umtanzt. Der Graupaer Richard-Wagner-Chor, die Singgemeinschaft „Harmonie“ und Schüler des Heinrich-Schütz-Konservatoriums wirkten zusammen mit den Musikern des Dresdner Streichquartetts. Ein sympathischer Volksfestcharakter, der den von Wagner in Dresden inszenierten Laienchor-Feiern zu Ehren des Königs und der Beisetzung von Carl Maria von Webers Leichnam in etwa entsprochen haben könnte.

Zuvor gab es im Lohengrinhaus jeweils einen „Wagner-Salon“ mit prominenten Gästen, die als Ausführende, Forschende und Publizierende eine anhaltende Beziehung zu Wagners Werk aufweisen, wie der Kammersänger René Pape, der Schriftsteller Friedrich Dieckmann sowie die Wissenschaftler Hans John und Ingo Zimmermann.

Das Andenken an Wagner beherrscht Graupa schon lange. Doch das dortige Schloß hat er selbst vermutlich nie betreten. Dafür führten ihn seine Ausflüge auf die Schöne Höhe bei Dittersbach, das Borsbergmassiv und in den Liebe-thaler Grund, wo sich heute das weltgrößte Wagner-Denkmal befindet. Es war ursprünglich für den Großen Garten in Dresden gedacht. Ein über vier Meter hoher Wagner im Umhang eines Gralsritters stützt sich auf eine Harfe und ist von fünf Allegorien auf Wesenszüge seiner Musik umlagert. Das Gesamtmaß mit Sockel und Treppe beträgt zwölf Meter in der Höhe. Gestaltet, ausführen und aufstellen lassen hat die Anlage der Bildhauer und Wagnerianer Richard Guhr auf eigene Kosten. Aus diesem Grund vermochte er dann auch die Einschmelzung im Kriege zu verhindern. Der berühmte Rathausmann von Guhr spendet heute wieder in voller Vergoldung aus seinem Füllhorn vom Turm über die Stadt Dresden.

Auch auf das Stadtmuseum werden seine Gaben ausgestreut. Dieses hat Wagners Dresdner Zeit eine Sonderausstellung gewidmet. In Dresden war er unstet, aber äußerst fruchtbar. In der Kapellmeisterzeit von 1842 bis 1849 sind die Wagners viermal umgezogen. Der fünfte Umzug war dann die Flucht außer Landes. Neben der Uraufführung von drei eigenen Werken waren die Aufführung von Beethovens Sinfonien und die Überführung von Carl Maria von Webers Leichnam aus London nach Dresden die großen Ereignisse dieser Jahre. Das feste Katalogbuch aus dem Sandsteinverlag ist reich bebildert und enthält unter anderem eine ungewöhnlich maßvoll abwägende Betrachtung von Udo Bermbach.

Zum 150. Geburtstag Wagners vor fünfzig Jahren veranstaltete das Stadtmuseum bereits eine Ausstellung im Glockenspielpavillon des Zwingers. Doch die besten Ehrungen für Wagner waren in Dresden immer die guten Aufführungen, die seit der Uraufführung von „Rienzi“ unter Wagners Dirigentenkollegen Reißiger 1842 in den drei Semperopern, der Bretterbude eines Interimstheaters und dem Großen Haus stattfanden. Joseph Aloys Tichatschek, Anton Mitterwurzer und Wilhelmine Schöder-Devrient waren Sängerpersönlichkeiten, die seinerzeit den Figuren Profil verliehen und deren Fähigkeiten den Musikdramatiker Richard Wagner zu neuen Gestaltungen anregten.

Eine Aufstellung zeigt die anhaltende Präsenz von Wagners Werken auf dem lokalen Spielplan. Viele der weltbesten Sänger und Dirigenten wirkten mit dem Orchester zusammen, das Wagner selbst eine „Wunderharfe“ nannte. Die letzte Sternstunde dieser Art war im vorigen Winter in der Semperoper mit dem makellosen „Lohengrin“ unter der Leitung von Christian Thielemann zu erleben.

Kontakt: Richard-Wagner-Stätten, Richard-Wagner-Straße 6, 01796 Pirna OT Graupa. Geöffnet täglich außer montags von 12 bis 18 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr. Der Eintritt ins Museum kostet 7 Euro (ermäßigt 4 Euro). Telefon: 0 35 01 / 461 965-0

www.wagnerstaetten.de

„Die Ausstellung „Richard Wagner in Dresden – Mythos und Geschichte“ ist noch bis zum 25. August im Stadtmuseum, Wilsdruffer Straße 2, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, freitags bis 19 Uhr, zu sehen

www.stadtmuseum-dresden.de

Foto: Fahndungsporträt und Steckbrief Richard Wagners vom 16. Mai 1849; Richard-Wagner-Denkmal im Liebethaler Grund bei Pirna

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