© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Der Sensenmann
Loewe AG: Chinesen booten Japaner bei dem kriselnden TV-Geräte-Hersteller aus / Kleinaktionäre verlieren so oder so einen Großteil ihres Kapitals
Markus Schleusener

Große Erleichterung bei Loewe: Am Morgen vor der Hauptversammlung verkündete der deutsche Produzent von TV-Geräten, daß ein Partner gefunden sei: die chinesische Elektronikfirma Hisense. Loewe teilt mit: „Die Vorstände der beiden Unternehmen haben ein weitgehendes Kooperationsabkommen unterzeichnet.“

Loewe gerettet? Noch nicht. Zwar ließen sich die Anleger kurzzeitig beeindrucken – der Börsenkurs ging ab wie eine Rakete. Aber schnell wurde klar, daß der neue Partner Loewe keine Entlastung verschafft. Er bringt nämlich kein Geld mit. Und Loewe braucht viel Geld. Von 25 Millionen ist die Rede.

Wie aus einem der JF vorliegenden Geheimpapier von Roland Berger hervorgeht, steht Loewe mit dem Rücken zur Wand. Es droht die Zahlungsunfähigkeit im September („Liquiditätsunterdeckung in der 36. Kalenderwoche in Höhe von 1,5 Millionen Euro“). Und noch schlimmer: „Die Loewe AG ist überschuldet im Sinne der Insolvenzordnung.“

Das Kronacher Traditionsunternehmen ist im Gläubigerschutz und hat bis Oktober Zeit, eine Lösung zu finden. Sprich: einen Investor. Diesen wollte die Firmenspitze auf der Hauptversammlung präsentieren. Das war das Gerücht, das von Topmanagern bewußt gestreut wurde (JF 30/13).

Aber diesen Investor gibt es nicht, obwohl angeblich mehrere Interessenten bereitstehen. Und Hisense, die Firma, die ein wenig nach dem Sensenmann klingt? Loewe-Vorstandschef Matthias Harsch behauptet frech, Hisense könne nicht in Loewe investieren, weil chinesischen Staatsbetrieben dies untersagt sei.

Auf der Aktionärsversammlung wird nun der große Showdown erwartet: Werden die verärgerten Aktionäre den neuen Kurs der Loewe-Spitze mittragen, die das Unternehmen abgewirtschaftet hat? Oder gibt es Krach? Vor der Versammlung gab es an der Börse mysteriöse Bewegungen: Plötzlich meldet eine bislang unbekannte Loewe-Beteiligungsgesellschaft, daß ihr fast 30 Prozent der Aktien gehören. Dahinter steckt vermutlich der Alteigentümer und Firmenpatriarch im Ruhestand Rainer Hecker. Kehrt er wie der große Bellheim zurück ins Geschäft?

Loewe hat all die anderen großen deutschen TV-Geräte-Hersteller überdauert, weil das Unternehmen eine Produktnische gefunden hat, in der es sich die asiatische Billigkonkurrenz vom Leibe halten konnte: Luxusgeräte im vierstelligen Preisbereich. Die Erfolge sind mit dem Namen Rainer Hecker verknüpft. Nach dem Management-Buy-out in den achtziger Jahren (Loewe war mal eine Philips-Tochter) umschiffte er jahrzehntelang alle Klippen und verteidigte die Marktstellung.

Doch nach dem Hecker-Abgang 2008 kam Loewe nicht mehr zur Ruhe und geriet ähnlich wie die Computerfirma von Heinz Nixdorf nach dessen plötzlichem Tod ins Schlingern. Einer der zentralen Fehler bei Loewe: Das Unternehmen änderte immer wieder seine Strategie. So will Loewe zwar Luxusanbieter sein, aber auch in den Massenmarkt. Loewe-Manager träumen davon, bei Saturn und Mediamarkt eine Million Geräte zu verkaufen, fünfmal soviel wie jetzt.

Um mehr Umsatz zu machen, wurde der Preis für die wichtigsten Geräte, Reference und Individual, gesenkt. Die Maßnahme ging in die Hose. Loewe verkaufte genauso viele Geräte wie vorher – für weniger Geld. Hektisch folgten Gegenmaßnahmen. Neue Käuferschichten sollten akquiriert werden. Ein neuer, billigerer Fernseher namens Reference ID kam auf den Markt. Die Käufer des teureren, besseren Reference fühlten sich betrogen, weil sie wegen des ähnlichen Namens das billigere Gerät für eine Weiterentwicklung ihres Apparates hielten. Das sind schwere Marketingfehler.

Die Loewe-Chefs nach Hecker kamen und gingen. Oft mit einem goldenen Handschlag. Was blieb, war die Arroganz, die von Teilen der Führungsetage kultiviert wurde. Wir sind Premium, war das Mantra. Immer vom Besten und Teuersten. Als Berater kam nur Roland Berger in Frage. Als Werbeagentur wurde Scholz & Friends angeheuert. Auf einer Firmenfeier wurden einmal Currywürste auf Bierbänken serviert. Der Verantwortliche wurde von einem Chef angefaucht: „Wenn das die Presse sieht.“ Das Ambiente war nicht standesgemäß für einen „Premiumanbieter“.

Das Berliner Ludwig-Erhard-Haus vor einer Woche. Auf der Hauptversammlung 2013 gibt es nur noch Wiener Würstchen und Kartoffelsalat. Und selbst die sind bald alle. Dem Unternehmen ist die Luft ausgegangen. Es geht um die Weiterexistenz der Firma.

Der Firmenspitze steht das Wasser bis zum Hals. Die Presse darf nicht in den Saal, ein ungewöhnlicher Vorgang. Harsch referiert seine optimistischen Pläne. „Die Investorensuche ist jetzt vereinfacht“, sagt er mit Blick auf Hisense. Aber er warnt auch deutlich: „Wenn wir nicht einen Marktanteil von zehn Prozent bis 2016 erreichen, dann haben wir keine Daseinsberechtigung mehr.“ Die Aussichten stehen schlecht: Im ersten Halbjahr 2013 ist der Loewe-Umsatz um 39 Prozent gesunken. Wie soll die Firma das verkraften?

Die wichtigsten Tagesordnungspunkte sind die Kapitalherabsetzung – Aktionäre erhalten für vier alte Aktien nur noch eine neue – und die Berufung zweier Aufsichtsratsmitglieder. Die ominöse Beteiligungsgesellschaft (27 Prozent) und der japanische Elektronikkonzern Sharp (12) bräuchten nur einen Bruchteil der Kleinaktionäre (46) gewinnen – und schon könnten sie den Vorstand und seinen neuen chinesischen Partner ausbremsen. Hecker hatte Sharp seinerzeit ins Boot geholt.

Aber die Großaktionäre halten die Füße still. Die chinesisch-japanische Übernahmeschlacht bleibt aus. Sharps TV-Sparte steckt selbst in Schwierigkeiten, da wäre Loewe wohl nur ein Klotz am Bein. Die Chinesen warten nun seelenruhig ab, bis Loewe leergebrannt ist und übernehmen Loewe dann, heißt es aus Unternehmenskreisen. Das wäre immer noch besser, als wenn der Betrieb, der noch 836 Mitarbeiter beschäftigt, sang- und klanglos pleite ginge.

 

Made in Germany nicht gefragt

Loewe könnte es bald nicht mehr geben. Damit neigt sich das Kapitel „Fernseher made in Germany“ dem Ende entgegen. Es gibt nur noch Nischenanbieter wie Technisat und Metz. Deutsche Fernseher – das waren mal Saba, Grundig, Nordmende, Telefunken, Schneider, um nur einige zu nennen. Der Loewe-Niedergang ist symptomatisch für das Ausbluten einer ganzen Branche, in der deutsche Unternehmen einmal Spitzenpositionen besetzen konnten.

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