© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Die Mehrheit der Dax-Unternehmen gehört Ausländern
Gefährliche Risikoscheu
Michael Wiesberg

Wem gehört der Dax? Diese Frage beantwortet eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. 55 Prozent der Aktien liegen in ausländischen Depots, jede vierte Aktie befindet sich im Besitz europäischer, ein Fünftel in Hand nordamerikanischer Anleger. Diese Entnationalisierung sei Ausdruck der Attraktivität deutscher Großunternehmen. Für die multinationale Anlegerschaft der Dax-Firmen seien die „kapitalmarktferne Altersvorsorge“ und die mangelnde „Risikobereitschaft von Versicherern und Privatanlegern in Deutschland“ verantwortlich. Von deutscher Wertarbeit profitieren deshalb mehrheitlich Ausländer.

Doch die kapitalmarktnahe Altersvorsorge hatte in der Finanzkrise 2008 bittere Konsequenzen: Wer auf Finanztitel oder Firmen wir General Motors setzte, verlor seine Ersparnisse. Riester-Renten sind zudem oft mit Euro-Staatsanleihen unterlegt. Für die mangelnde Risikobereitschaft der Deutschen gibt es durchaus Gründe. Zugleich bestätigen die Besitzverhältnisse das definitive Ende der „Deutschland AG“, also der gegenseitigen Beteiligung von Industrie- und Finanzsektor.

Ein entscheidender Auslöser hierfür waren die rot-grünen Steuerreformen, speziell das Investmentmodernisierungsgesetz von 2003. Bis dahin war der schnelle Verkauf und Kauf von Unternehmensanteilen Restriktionen unterworfen. Die Schröder-Regierung wischte diese beiseite – mit dem Ergebnis, daß sich deutsche Banken und Versicherungen rasch und steuerfrei von ihren deutschen Unternehmensbeteiligungen trennten. Ausländische Investmentgesellschaften und Fonds wurden Kapitalgeber und übernahmen das Ruder – einzig interessiert am kurzfristigen Erfolg und Börsenwertsteigerungen.

Im heutigen Finanzmarktkapitalismus, der die als verfilzt und ineffizient denunzierte Deutschland AG aus der Wirtschaftswunderzeit abgelöst hat, sehen sich Dax-Unternehmen nun Global Playern gegenüber – zum Beispiel der milliardenschweren New Yorker Vermögensverwaltung BlackRock oder dem sogenannten Aktionärsberater Institutional Shareholder Services (ISS), der dem US-Finanzdienstleister MSCI gehört. Es gibt inzwischen kaum eine deutsche AG, an der BlackRock nicht beteiligt ist. Da sich viele Anleger scheuen, auf die Hauptversammlungen der Firmen zu gehen, in die sie investiert haben, werden Aktionärsberater beauftragt. Diese instruieren die (Groß-)Investoren und geben ihnen „Ratschläge“ für wichtige Abstimmungen. ISS hat hierbei eine dominante Position und entsprechend steigenden Einfluß auch auf den Kurs vermeintlich „deutscher“ Konzerne.

Dazu bedarf es nicht einmal eines Auftretens auf Aktionärsversammlungen: „Wir nehmen Verantwortung für unsere Kunden wahr, indem wir direkt mit dem Management sprechen“, bekannte BlackRock-Deutschlandchef Dirk Klee – und den Kurs abstecken, wäre zu ergänzen.

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