© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Hilflos an der Heimatfront
Terrorismus: Nach dem Anschlag auf eine Bundeswehrkaserne in Sachsen-Anhalt wächst die Empörung
Christian Schreiber

Derzeit sind 6.322 deutsche Soldaten im Ausland stationiert. Ihr von der Berliner Politik ausgegebenes Ziel heißt Frieden und Demokratie. Doch in der Heimat tobt ein Kampf gegen die eigene Armee, der Ausmaße annimmt, die es mittlerweile berechtigt erscheinen lassen, von einem „Krieg gegen die Bundeswehr“ zu sprechen. Nach dem jüngsten Anschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Havelberg in Sachsen-Anhalt, bei dem Ende Juli ein Schaden von mindestens zehn Millionen Euro verursacht wurde, meldet sich jetzt auch die Politik zu Wort (Kommentar Seite 2).

16 Fahrzeuge, darunter Lastwagen und Spezialfahrzeuge, wurden teils schwer beschädigt, teils komplett zerstört. Bisher unbekannte Täter konnten auf das Areal vordringen und mehrere Brandsätze deponieren. Ermittler vermuten, daß die Brandstifter aus einem 80 Kilometer von Havelberg entfernten Protestcamp stammen könnten. Dort demonstrierten in der letzten Juliwoche Linksextreme gegen einen Militärübungsplatz. Dort bereitet die Bundeswehr ihre Soldaten auch auf Auslandseinsätze vor. „Störmanöver an der Heimatfront“ nannte die linksextreme Szene die Aktion. Auffallend ist, daß es am Vorabend des Attentats einem Demonstrationszug unter dem Motto „War starts here“ (Krieg beginnt hier) in der Region gab.

Der Anschlag in der Altmark ist beileibe kein Einzelfall. Seit Jahren führen linksextreme Kreise gezielt Aktionen gegen die Bundeswehr durch. Das geistige Rüstzeug liefern dabei Ikonen der militanten Szene wie die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett: „Wenn Deutschland Krieg führt und als Antikriegsaktion Bundeswehrausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, illegale Streikaktionen, Betriebs- und Hausbesetzungen, militante antifaschistische Aktionen, Gegenwehr bei Polizeiattacken“, sagte sie 2011 in Berlin. Dafür wurde sie zu einer Geldbuße verurteilt, doch der Beifall von linksaußen war ihr gewiß.

Die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden sehen die Entwicklung mit großer Sorge. „Das Thema ‘Antimilitarismus’ spielt im gewaltbereiten Linksextremismus eine große Rolle“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der Welt am Sonntag: In den vergangenen Jahren seien immer wieder Anschläge gegen Einrichtungen der Bundeswehr festgestellt worden. Nach Angaben des Verfassungsschutzes gab es seit dem Jahr 2010 mehr als 30 Anschläge auf Einrichtungen der Bundeswehr. Allein 2012 zählte die Behörde deutschlandweit rund 90 antimilitaristisch motivierte Straftaten. Die Kosten gehen in die Millionen. Die Palette an Straftaten ist breit. Neben häufigen Sprühangriffen mit Farbe und dem Beschädigen von Bahngleisen für Bundeswehrtransporte („Schottern“) kam es in den vergangenen Jahren wiederholt auch zu Brandanschlägen wie jetzt in der Altmark. So wurden im April 2009 in einer Kaserne in Dresden 42 Bundeswehrfahrzeuge angesteckt, und vor gut einem Jahr zündeten Unbekannte im Dienstleistungszentrum der Bundeswehr in Hannover 13 Fahrzeuge an, die erst am Vortag geliefert worden waren.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) forderte in der vergangenen Woche von den Bürgern „Solidarität vor Ort“: „Ich finde es unerhört und skandalös, daß es solche Anschläge gegen die Bundeswehr gibt.“

Daß der jüngste Anschlag ausgerechnet in Sachsen-Anhalt stattfand, das am meisten unter der Flut gelitten habe, empörte den Minister dabei besonders. Die Bundeswehr „hat dort mit überragendem Einsatz dieses Land geschützt“, sagte de Maizière und sprach von einem „linksextremen Tatmuster“: „Einige wenige glauben, sie könnten den Eindruck erwecken, als stünde eine Mehrheit der Bevölkerung der Bundeswehr und ihren Soldaten ablehnend gegenüber.“

Doch die Sicherheitsprobleme rund um die Kasernen sind zum Teil hausgemacht. Durch das Ende der Wehrpflicht und eine permanente Verkleinerung der Armee wurden die Wachdienste in den vergangenen Jahren massiv ausgedünnt. Teilweise wird mittlerweile sogar auf private Sicherheitsdienste zurückgegriffen. „Die Bundeswehr muß aufpassen, daß durch die Sparmaßnahmen und durch den Abbau des Personals nicht Sicherheit aufgegeben wird“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rainer Arnold, der Welt. Hier gebe es inzwischen ein „ernsthaftes Problem“. Der Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe sprach von „beschämenden und empörenden Anschlägen“, die von Tätern verübt wurden, „die offenkundig aus dem linksradikalen Lager stammen“.

Der SPD-Verteidigungsexperte Arnold kritisierte im Zusammenhang mit den Vorfällen verbale Entgleisungen von Mitgliedern der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Dort gebe es Politiker, „die jeden Soldaten und jedes Militär als Feindbild wahrnehmen und das auch so kommunizieren.“ Die Linkspartei wies diesen Vorwurf zurück. Militante Bundeswehrhasser seien in der Friedensszene zunehmend isoliert. Es gebe in seiner Partei scharfe Kritiker von Auslandseinsätzen, aber niemanden, der den Gewaltaktionen Vorschub leiste, erklärte ihr Sprecher Paul Schäfer.

Foto: Durch einen Brandanschlag zerstörte Fahrzeuge der Bundeswehr in Havelberg: Hausgemachte Sicherheitsprobleme

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