© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

Ein König für Ägypten
Naher Osten: Rückbesinnung auf die Monarchie / Die Thronfolger sind nicht vergessen
Marc Zöllner

Einen Monat ist er bereits her, der blutige Staatsstreich in Ägypten, bei dem die bewaffneten Streitkräfte Anfang Juli die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei FJP, den politischen Arm der Moslembrüder, von der Macht schaßten. Mohammed Mursi, der ehemalige Präsidenten, ist inzwischen verhaftet worden. Seine Anhänger jedoch liefern sich noch immer blutige Straßenkämpfe am Rande von Demonstrationen und Gebetsveranstaltungen. Trotz des Versprechens der Armee, für Ruhe, Sicherheit sowie eine neue Verfassung zu sorgen, kamen bislang Hunderte Menschen ums Leben. Die Moslembrüder, die sich vom Militär sowie einflußreichen Sympathisanten des damaligen autokratisch regierenden Präsidenten Husni Mubarak verraten fühlen, weigern sich überdies, sich an der Bildung einer Übergangsregierung bis zum Verfassungsreferendum zu beteiligen.

Während man in Ägypten um eine Lösung der Pattsituation ringt, meldet sich plötzlich eine von allen unerwartete Fraktion zu Wort. „Der spanische Diktator Francisco Franco erwählte den noch heute regierenden König Juan Carlos zu seinem Nachfolger, um die Demokratie im Land wiederherzustellen“, erklärte Osman Ibrahim kürzlich dem Nachrichtensender Al-Dschasira. „Das hat tatsächlich funktioniert. Würden wir das gleiche in Ägypten versuchen, würde es die Leute anfänglich vielleicht zum Lachen bringen. Doch ich glaube, daß gerade die Jugend, mit der ich viel gesprochen habe, diesen Schritt sehr gern annehmen wird.“

Osman Ibrahim ist kein Unbekannter, gerade am Nil nicht. Sein voller Titel lautet „Seine Königliche Hoheit Prinz Osman Rifaat Ibrahim von Ägypten“. Er ist der Sohn des Prinzen Amr Ibrahim, des Bruders des damaligen Königs Faruq I., der von 1936 bis zu seiner ebenfalls gewaltsamen Entmachtung durch das Militär im Jahre 1952 der regierende Monarch Ägyptens war. Ebenso ist er der Vetter des letzten ägyptischen Königs Fu’ad II., welcher seinem gestürzten Vater im Alter von nur sechs Monaten auf den Thron folgte, dort allerdings nur ein knappes Jahr verblieb, ehe auch er, noch als Kleinkind, vom Militär entmachtet wurde. Das Militär, so Ibrahim, spiele schon seit der Machtübernahme der Mamelucken in Ägypten im Jahre 1250 eine entscheidende Rolle.

„Mohammed Mursi meinte, von der Mehrheit gewählt worden zu sein“, konstatiert Osman Ibrahim. „Niemand scheint zu verstehen, daß es in Wahrheit die Armee war und nicht die Demonstranten, die Husni Mubarak stürzte. Heute stürzen sie halt Mursi, und morgen werden sie jemand anderen stürzen.“

Mit Blick auf seinen Vater Faruq gerät auch Fu’ad dieser Tage noch gern ins Schwärmen. „Mein Vater hat mir natürlich eine islamische Erziehung zukommen lassen“, erzählt er. „Doch der Islam, den ich erlernte, ist ein Islam von Toleranz, von Gerechtigkeit und von Weltoffenheit.“

Wie sein Ururgroßvater, erlernte Faruq in jungen Jahren sein Handwerk an einer Militärakademie. Allerdings nicht in Ägypten, sondern im englischen Woolwich, einem Stadtteil des damals höchst liberal und fortschrittlich geprägten London. Dieses Milieu sollte fortan seine Regentschaft als Monarch bestimmen: Er galt als unmilitaristisch, unparteiisch, aber auch als von Skandalen verfolgter Lebemann. Für Politik interessierte er sich weniger als für gutes Essen, hübsche Frauen und hohe Wetteinsätze an den Spieltischen westlicher Metropolen. Seine Schwester Fausia ging in die Geschichte ein als die Frau des Schahs von Persien, Mohammad Reza Pahlavi. Faruq jedoch schrieb Geschichte als Dieb der persischen Kronjuwelen, die er kurzerhand aus Fausias Gepäck stahl, als diese zu Besuch in Kairo weilte.

Tausende solcher Räubergeschichten existieren über jenen fülligen 130-Kilo-Regenten, der schon zum Frühstück zwölf Eier aß und Affären mit fünftausend Frauen aus aller Herren Länder führte. Doch neben dem, was derzeit am Nil passiert, kann man über so etwas noch lächelnd hinwegsehen. „Als mein Vater mit 16 den Thron bestieg, war er doch nicht mehr als nur ein Kind“, erzählt Fu’ad II. im Interview. Und sein Vetter Osman Ibrahim fügt hinzu: „Das Ansehen der königlichen Familie ist in Ägypten keinesfalls angeschlagen. Das beweisen Hunderte von Blogs im Internet.“

Seit der Vertreibung seines Vaters aus dem Iran ist Cyrus Reza Pahlavi aktiv bestrebt, die Monarchie in seiner Heimat wiederherzustellen. Im April erst gelang es ihm, ein Dutzend iranischer Oppositionsparteien zum „Iranischen Nationalrat“ (NCI) zusammenzuschließen. Seine entfernten Verwandten aus Ägypten wollen ihm dies nun gleichtun. Vier Monate gibt die ägyptische Übergangsregierung sich Zeit, um eine neue Verfassung zu konstituieren. Ibrahims Ratschlag: „Das spanische Modell. Denn ein König steht über allen Parteien, er wird die Nation wieder vereinen.“ Daß man am Nil allerdings auf die Idee der letzten Angehörigen der königlichen Muhammad-Ali-Dynastie hören wird, ist gänzlich unwahrscheinlich.

Foto: Ägyptens Ex-König Ahmad Fu‘ad II. bei der Beerdigung seiner Schwester Prinzessin Ferial Faruk in Kairo (Dezember 2009): Ab dem Alter von sechs Monaten war Fu‘ad formal vom 26. Juli 1952 bis zum 18. Juni 1953 König von Ägypten. Im Anschluß wuchs er im Exil in Frankreich auf.

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