© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

Verlustreicher Stellvertreterkrieg
Seit sechzig Jahren schweigen die Waffen in Korea: Dem Weltkrieg so nah
Wolfgang Kaufmann

Nach dem „VJ-Day“, dem Siegestag der Alliierten über Japan am 15. August 1945, forderte die öffentliche Meinung in den USA, man solle die „Jungs“ nun so schnell wie möglich nach Hause holen. Und tatsächlich verfügte der Kongreß daraufhin einen weitgehend kompletten Truppenabzug aus Asien, wodurch ein Machtvakuum am Ostrand des Pazifik entstand, in das die UdSSR hineinzustoßen versuchte.

Damit hätten die Verantwortlichen in Washington allerdings schon seit dem sowjetischen Einmarsch in die Mandschurei rechnen müssen, auf den Präsident Truman ja auch prompt mit der Einstellung aller Leih- und Pachtlieferungen reagierte. Doch gab man sich weiterhin der Illusion hin, daß der Kreml eine mehr oder weniger legitime Defensivpolitik betreibe. Zu übermächtig war der Wunsch, wieder zur Normalität der Vorkriegszeit zurückzukehren – außerdem existierte ja nun das ultimative Abschreckungsmittel Atombombe. Erst 1947 sah Truman die Notwendigkeit, den kommunistischen Expansionsbestrebungen rund um die Welt eine neue Doktrin der USA entgegenzusetzen, nach der „alle freien Völker“ Hilfe bei der Verteidigung gegen aggressive, totalitäre Regimes erhalten sollten.

Damit brachte er Amerika natürlich auch auf der koreanischen Halbinsel in Zugzwang, denn dort zeigte sich immer deutlicher, daß Stalin keinesfalls gewillt war, das Land, welches bis zum 38. Breitengrad unter sowjetischer Kontrolle stand, im Einklang mit früheren Vereinbarungen aufzugeben. Sein Helfershelfer in Pjöngjang schlug allerdings erst zu, als Moskau seinerseits über die Atombombe verfügte. Dabei zielte der Stoß der nordkoreanischen Sowjet-Marionette Kim Il-sung nicht nur in Richtung Seoul, sondern darüber hinaus auf Japan, wo gerade eine schlagkräftige kommunistische Partei entstanden war, die immer stärker für Unruhe sorgte und die Hoffnung auf einen „revolutionären“ Machtwechsel in Tokio schürte. Zudem handelte es sich bei dem Überfall auf Südkorea auch um einen Test, wie weit die Bereitschaft der Amerikaner gehen würde, die Truman-Doktrin in die Tat umzusetzen.

Wie der Verlauf des Koreakrieges zeigte, kannte diese Bereitschaft kaum Grenzen – eine war der Einsatz von Atomwaffen. Dabei hätte nach der massiven Einmischung Rotchinas Anfang 1951 und dem Fall von Seoul wohl nur dieses radikale Mittel noch zum Sieg verhelfen können. Das jedenfalls war die feste Überzeugung des Oberbefehlshabers der UN-Truppen in Korea, General Douglas MacArthur: Er forderte den Abwurf von insgesamt 34 Atombomben auf chinesische Städte sowie weitere direkte Aktionen gegen Maos Reich.

Als Begründung hierfür gab der meistdekorierte Soldat der US-Streitkräfte in einem Schreiben an das Repräsentantenhaus an: „Es scheint aber seltsamerweise für einige Leute schwer zu begreifen zu sein, daß es Asien ist, welches die kommunistischen Verschwörer zum Ansatzpunkt für die Welteroberung gemacht haben, und daß wir uns der damit aufgeworfenen Entscheidung auf dem Schlachtfeld gestellt haben. (...) Wenn wir den Krieg gegen den Kommunismus in Asien verlieren, ist der Fall Europas unausweichlich. (...)Wir müssen gewinnen, es gibt keinen Ersatz für den Sieg!“

Dieser Appell wurde MacArthur indes als grobe Insubordination ausgelegt, da er letztlich auf eine Kritik an der Haltung von Truman hinauslief, der den Verfasser des Schreibens dann auch erbost seines Kommandos enthob, weil er – so der Präsident – „den falschen Krieg am falschen Ort, zur falschen Zeit mit dem falschen Gegner“ führen wolle.

Andererseits kam das politische Establishment in Washington aber nicht umhin, dem populären General zumindest insofern zuzustimmen, als die Einstellung der Feindseligkeiten auf der Basis einer Übereinkunft über die Wiederherstellung des Status quo an der alten Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrades auf einen faktischen Sieg der kommunistischen Aggressoren hinauslaufen würde. Doch genauso sollte es kommen.

Nach weiteren zwei Jahren Stellungskrieg unter Mitbeteiligung von UN-Truppenkontingenten aus Australien, Belgien, Luxemburg, Kanada, Kolumbien, Äthiopien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und den Philippinen, Neuseeland, Südafrika, Thailand, Großbritannien und der Türkei wurde am 27. Juli 1953 in Panmunjeom ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen, welches den 38. Breitengrad als Grenze zwischen Nord- und Südkorea bestätigte. Damit konnten sich Kim und Mao nun propagandistisch feiern lassen und vor den Staaten der Dritten Welt als erfolgreiche Herausforderer des „Imperialismus“ gerieren. Der südkoreanische Präsident indes verweigerte die Unterzeichnung des Abkommens als nationalen Protest gegen die fortgesetzte Teilung seines Landes. Der Tag brachte Waffenruhe, aber keinen Frieden, nicht einmal menschliche Erleichterungen.

Die Angaben über die Opfer sind recht unterschiedlich. Die seriösesten sprechen von 157.530 Toten bei den amerikanischen Verbänden – das sind sogar stärkere Verluste für die USA als in Europa während des Ersten Weltkrieges. Die Südkoreaner verloren 257.000 Soldaten, bei den anderen Uno-Verbänden ließen 14.000 ihr Leben. Die Zivilbevölkerung im Süden Koreas verlor 129.000 Menschen. Die Einbußen beim nordkoreanischen Militär dürften 520.000 betragen, bei den chinesischen „Freiwilligen“ werden sie auf insgesamt 900.000 geschätzt. Noch höher dürfte die Anzahl der getöteten Nordkoreaner sein.

Allerdings mußte der „Große Steuermann“ Mao am Ende doch noch einen hohen Preis für sein Kriegsabenteuer zahlen, denn der Koreakonflikt legte den Keim zu der dauerhaften Entfremdung zwischen Moskau und Peking, die Rotchina in der Folgezeit nachhaltig schaden sollte. Die Sowjetunion hatte die Intervention der Chinesen nämlich mit umfangreichen Krediten finanziert und wollte nun ihr Geld wieder, was Mao als Zumutung, ja als Verrat ansah. Außerdem sorgte die Aggression Nordkoreas für Befürchtungen, daß sich so etwas im geteilten Deutschland wiederholen könnte. Damit war der Weg frei für die militärische Aufrüstung und Nato-Einbindung der Bundesrepublik Deutschland, was wiederum den Sowjets nicht ins Kalkül paßte.

Foto: Soldaten Süd- und Nordkoreas an Demarkationslinie, Panmunjeom 2007: Falscher Krieg am falschen Ort

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