© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

Abgehört zu werden findet keiner gut
USA: Eine Einschränkung der Befugnisse des Geheimdienstes NSA ist im Kongreß knapp gescheitert
Marc Zöllner

Unter Konservativen gilt James Sensenbrenner als Hardliner in Fragen der US-amerikanischen Sicherheitspolitik. Nicht zu Unrecht: Der republikanische Abgeordnete aus dem Bundesstaat Wisconsin war der Urheber des nach den Terroranschlägen von 2001 erlassenen „Patriot Act“, jenes Gesetzes, welches die umfangreiche Überwachung von Internet und Telefongesprächen innerhalb der USA auch ohne richterliche Erlaubnis ermöglichte.

Doch selbst Sensenbrenner geht die Datensammelwut zu weit. „Die Zeit ist gekommen, das zu stoppen“, rief er während der ersten Parlamentsdebatte zu dem Thema Ende Juli, die leidenschaftlich verlief. „Sobald der Kongreß von seiner Augustpause zurückkehrt, werde ich eine Gesetzesvorlage bereitstellen, welche die telefonische Überwachung lediglich auf Menschen beschränkt, die als Ziel staatlicher Terroruntersuchung benannt worden sind“, verkündete Sensenbrenner. „Diese Gesetzesvorlage wird wesentliche Veränderungen am Geheimen Gerichtshof bewirken, der solche Programme überwacht, und Firmen wie Microsoft und Google die Erlaubnis erteilen, vor diesem Gericht über ihre Handlungsanweisungen frei auszusagen.“

Auf was Sensenbrenner mit seinem Vorstoß anspricht, ist insbesondere das skandalträchtige Abhörprogramm der US-Geheimdienstbehörde NSA, welches von Whistleblower Edward Snowden offengelegt wurde und seitdem international für diplomatische Verstimmungen der USA mit Rußland, der Europäischen Union sowie dem lateinamerikanischen Staatenbund Unasur sorgte. Dort kündigte zuletzt Ecuador im Juni einseitig sein lukratives Zollabkommen mit den USA.

Doch nicht nur in den vom Abhörskandal betroffenen Drittstaaten regt sich Unmut gegen die Ausspähkampagne der NSA. In einer Umfrage des renommierten Demoskopieinstituts „Pew Research Center“ von vor zwei Wochen erklärte erstmalig seit den Anschlägen vom 11. September 2001 die Mehrheit der Befragten, besorgter über die Antiterrorismuspolitik ihrer Regierung zu sein als über die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge. Über 47 Prozent sprachen sich dafür aus, daß „die Regierung zu weit gegangen sei in der Einschränkung persönlicher Freiheit“, weitere 70 Prozent vermuteten, daß „die Regierung diese Daten zu anderen Zwecken nutzt als zu Ermittlungen bezüglich terroristischer Akte“.

Nicht nur auf die Regierung, sondern auch auf das Wahlvolk sauer ist Edward Hamelrath. „Die Leute haben George Bush und Barack Obama jeweils zweimal gewählt“, sagt der Politikwissenschaftler von der Universität Memphis im Gespräch mit der JF. „Mit Bush und Obama haben sie sich bewußt für mehr Staat entschieden. Nun bekommen sie, was sie verdient haben.“

Wie Hamelrath so resignieren auch viele seiner Mitbürger aufgrund der Vorfälle der vergangenen Wochen. „Edward Snowden hat ja nur bestätigt, was wir uns alle in den USA schon gedacht haben“, erklärt er. Doch daß es innerhalb der eigenen Grenzen – ganz im Gegenteil zu Deutschland – bislang kaum Protestdemonstrationen gegen die NSA gebe, sei nicht verwunderlich. Immer mehr US-Amerikaner wüßten mit ihrer Regierung nichts mehr anzufangen.

Eine Politikverdrossenheit, welche die Vereinigten Staaten zu keinem schlechteren Zeitpunkt hätte treffen können. Bereits im November nächsten Jahres stehen Senats- und Kongreßwahlen an, und mit diesen ein Ereignis von historischer Bedeutung: 2014 feiert Amerika das 100jährige Jubiläum der direkten Senatorenwahl. Sollte die Wahlbeteiligung signifikant sinken, würde dies unter anderem dem Ansehen der Demokratie im Lande schaden.

Mit dem allgemeinen Stimmungsumschwung der Bevölkerung in Hinblick auf den Abhörskandal geht es einflußreichen Volksvertretern wie Jim Sensenbrenner in ihrer Kritik an der NSA aber auch um künftigen Einfluß, um Sitzverteilungen, um Macht und vor allem um Geld für kommende Wahlkampagnen. Sensenbrenner legte zusammen mit dem Michiganer Hinterbänkler Justin Amash im Juli dem Kongreß ein Gesetz über die Einschränkung der Vorratsdatenspeicherung in den USA vor. Dieses wurde zwar von Demokraten wie von Republikanern abgelehnt. Am Ende fehlten aber nur zwölf Stimmen. Das Onlinemagazin wired.com fand nun heraus: Der Großteil der Abgeordneten, die Sensenbrenners und Amashs Gesetzesentwurf ablehnten, erhielt in den vergangenen zwei Jahren das Zweieinhalbfache an finanziellen Zuwendungen seitens der Rüstungs- und nachrichtendienstlichen Industrie wie die Befürworter. Ein „Nein“ war den Wahlkampfkassen der Senatoren im Durchschnitt über 41.000 Dollar wert.

Foto: James „Jim“ Sensenbrenner befragt im Parlament Zeugen von US-Geheimdiensten: Telefonüberwachung beschränken

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