© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Grüße aus Bern
Alles hat ein Ende
Frank Liebermann

Wie viele andere Menschen die fern der Heimat in einem fremden Land leben, neige auch ich dazu, regelmäßig Vergleiche anzustellen. Da gibt es viele Dinge, die die Schweizer besser können als wir Deutschen. Unter anderem zählen dazu die fast unmenschlich perfekte Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel, die Sauberkeit auf den Straßen und natürlich die herausragende Qualität von allen möglichen Wurstprodukten.

Allerdings gibt es auch Dinge, die in der Schweiz in katastrophalem Zustand sind. Dazu zählen beispielsweise die Fahrradwege, deren Qualität in Falludscha oder Damaskus kaum schlechter sein dürfte. Unterbrechungen auf zweispurigen Straßen, hohe Randsteine und metertiefe Schlaglöcher sind nur einige der vielen Nervfaktoren, die selbst urgemütliche Zeitgenossen wie mich in den Wahnsinn treiben.

Das Fahrrad – auf schweizerdeutsch liebevoll Velo genannt – hat jede Menge Vorteile: Strafzettel lassen sich nicht daran anbringen, es bringt mich zügig von einem Ort zum anderen und hilft zusätzlich, meinen Bauch unter Kontrolle zu halten. Außerdem gibt es keine Parkplatzprobleme vor der Kneipe und selbst der Konsum von angemessenen Portionen kaltem Bier führt zu keinerlei Ärger mit der lieben Polizei.

Das alles spricht für das Velo. Trotzdem, in Bern ist das Velofahren ein Alptraum. Überall fühle ich mich als Verkehrshindernis. Nur zu gern überholen Autofahrer mit gefühlten zwei Zentimetern Abstand, schneiden einem den Weg im Kreisel ab, hupen unmotiviert, fluchen einen an, gestikulieren und fuchteln wild mit der Hand oder blockieren demonstrativ den auf der Straße aufgezeichneten Fahrradstreifen. Ja, das Leid als Velofahrer in Bern ist sehr groß.

Aber es gibt jetzt gute Nachrichten für all die aktiven Pedalisten. Die Berner Stadtregierung will helfen. Bern soll tatsächlich „Velo-Highways“ bekommen. Ein durchgängiges Radnetz über alle großen Verkehrsrouten ist das ambitionierte Ziel. Bis zu vier Meter breit sollen die neuen ausgebauten Schnellstraßen für Velofahrer demnächst sein

Zusätzlich sollen sich die Menschen in der Stadt über 1.500 Fahrräder Gratis ausleihen können. Das ehrgeizige Ziel ist eine Verdoppelung der Radfahrer in den nächsten fünfzehn Jahren. Vielleicht werden die Schweizer so ja doch noch ein Volk von Chinesen.

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