© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Der zupackende Griff entscheidet
Britische Zoologen studieren per Satellitenüberwachung das Jagdverhalten von Geparden
Gert Jellinek

Im Unterschied zu ihren um 1900 aktiven Kollegen, denen es genügte, ihre Forschungen mit Neugierde und Erkenntnisstreben zu legitimieren, müssen heutige Biologen den gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit betonen. In dieser Pflicht sehen sich auch die Zoologen um Alan Wilson vom Royal Veterinary College der Uni London, die sich ins Okavangodelta in Botswana aufmachten, um Geparden (Acinonyx jubatus) zu beobachten. Sie wollten herausfinden, worauf der Jagderfolg des schnellsten Säugetiers beruht. Wilsons Datensammlung ist nicht als wissenschaftliches Glasperlenspiel gedacht, sondern sie liefert das Wissen, um der vom Aussterben bedrohten afrikanischen Raubkatze optimale Reservate einrichten zu können. Forschung steht hier also einmal mehr im Dienste des Artenschutzes (Nature 7453 vom 13. Juni 2013).

Wendigkeit bestimmt letztendlich das Jagdglück

Mit Hilfe eines ultraleichten, in einem Halsband untergebrachten Senders in Kombination mit dem Global Positioning System (GPS) gelang es Wilson, 367 Jagdverläufe von drei weiblichen und zwei männlichen erwachsenen Geparden zu dokumentieren. Aber nur ein knappes Drittel dieser kräftezehrenden Rennen endete für das bevorzugte Beutetier, die Impala-Antilope, tödlich. Und regelmäßig, dies ist das verblüffende Resultat der Auswertung von Wilsons Meßdaten, ist dieser Erfolg nicht ein Triumph der Geschwindigkeit, wie in älteren biologischen Lexika noch nachzulesen ist. Denn nur selten hätten seine Botswana-Geparden auf die von ihnen erreichbare Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde beschleunigen zu brauchen. Viel entscheidender für ihr Jagdglück seien ihre Wendigkeit, die von Wilson so bezeichnete „Manövrierfähigkeit" gewesen, ferner der aus dem Lauf heraus zupackende „Griff" der Vorderpfoten sowie eine Reihe energiesparender Umweltbedingungen. Dazu zählen primär dichtere Vegetation, Morgen- oder Abenddämmerung. Die Jäger rücken so näher an ihre Beute heran und benötigen dann nur eine moderate Beschleunigung, um die Impalas zur Strecke zu bringen. Lediglich bei den schnelleren Thompson-Gazellen in der ostafrikanischen Savanne werde der Gepard gezwungen, seine ganz Kraft in den kurzen Spurt zu investieren. Gerade bei dieser Jagd im offenen Grasland hätten die Geparde aber schon gegenüber den Impalas meistens das Nachsehen: Bei 80 Prozent dieser Wettläufe auf Leben und Tod sei die anvisierte Beute entkommen.

Wilson beklagt, daß vergleichbare Messungen „athletischer Kompetenz" von Raubtieren bislang ebensowenig vorlägen wie Studien über jene Faktoren des Biotops, die das „Ausspielen" dieser spezifischen Fähigkeiten erleichtern. Mit seinen GPS-basierten Gepard-Forschungen sei aber ein Anfang gemacht worden, um in großen Nationalparks und Reservaten künftig effizienteren Artenschutz zu gewährleisten.

Nature-Artikel „Locomotion dynamics of hunting in wild cheetahs":

www.nature.com/nature/journal/v498/n7453/

Gepardenrudel nach erfolgreichem Beutezug: Athletische Kompetenz, nicht Geschwindigkeit ist Trumpf

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen