© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Lockerungsübungen
Rastlose Unproduktivität
Karl Heinzen

Eigentlich hätten die Führungskräfte der deutschen Wirtschaft allen Grund zur Freude, ist doch ihr Einkommen in den vergangenen fünf Jahren um mehr als drei Prozent stärker gestiegen als der Durchschnittslohn gewöhnlicher Arbeitnehmer. Um ihr Wohlgefühl scheint es dennoch nicht gut bestellt zu sein. Die Hälfte der Manager klagt, so weist eine Umfrage des Handelsblatts und der Personalberatung Heidrick & Struggles aus, über eine unbefriedigende Balance zwischen Beruf und Freizeit.

Dies dürfte im wesentlichen darauf zurückzuführen sein, daß ihr Job einen hohen zeitlichen Aufwand erfordert. Drei von vier Befragten gaben an, ihm mehr als 50 Stunden pro Woche zu widmen. Zusätzlich schlägt die hohe Belastung durch Dienstreisen – jeder vierte Manager ist wöchentlich drei oder mehr Tage unterwegs – zu Buche. Um nicht ganz auf ein Privatleben verzichten zu müssen, nehmen viele Führungskräfte Schlafmangel in Kauf. 42 Prozent lassen es mit fünf bis sechs Stunden Nachtruhe bewenden.

Auch Spitzenkräfte sind zu Rastlosigkeit und unproduktivem Zeitaufwand verdammt.

Für die Shareholder sind diese Erkenntnisse alarmierend. Unausgeschlafene und unzufriedene Manager bieten schlechte Voraussetzungen für eine größtmögliche Profitabilität. Zudem sollte es nachdenklich stimmen, daß 65 Prozent der leitenden Angestellten einräumen, versäumten Schlaf auf Geschäftsreisen im Flugzeug oder im Zug nachzuholen. Hier ist nach neuen Instrumenten der Kontrolle zu suchen, um diese Ressourcenverschwendung ausgerechnet durch die Spitzenverdiener zu unterbinden.

An bestimmten Rahmenbedingungen werden jedoch auch die Kapitaleigner nichts mehr ändern können. Die Zeiten, in denen es als Ausweis wahrer Führungsqualität galt, enthoben vom Tagesgeschäft an der Spitze des Unternehmens zu thronen und sogar einen stilbewußten Müßiggang zur Schau zu stellen, sind im hektischen Alltag der Quartalsberichte unwiderruflich vorüber. Auf Managern lastet heute der Druck, so ersetzbar wie jeder andere Arbeitnehmer zu sein. Längst verfallen nicht mehr nur die mittleren, ständig von Rationalisierung bedrohten Führungsebenen in panischen Aktivismus, um sich selbst und anderen vorzugaukeln, wie unentbehrlich sie sind. Auch die Spitzenkräfte sind zu Rastlosigkeit und unproduktivem Zeitaufwand verdammt, um Status und Gehalt zu behaupten.

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