© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Geistiges darstellen
Resignative Weltsicht: Eine Ausstellung in Weimar präsentiert den Ideenmaler Sascha Schneider
Karlheinz Weissmann

Sascha (eigentlich Rudolph Karl Alexander) Schneider gehört sicher zu den Unbekannten der deutschen und europäischen Kunstgeschichte. Dafür gibt es Gründe: Zum einen, daß sein Werk hinter dem von Zeitgenossen – zu nennen wären in Deutschland Max Klinger, Franz Stassen, Franz von Stuck – deutlich zurückstand und daß weder Symbolismus noch Jugendstil von ihm ganz neue Impulse empfingen. Zum anderen Schneiders Homosexualität, die ihren Ausdruck auch in seiner ästhetischen Fixierung auf die männliche Schönheit fand, aber vor allem und für lange Zeit als Urteil gegen sein Schaffen empfunden wurde.

Heute ist das sicher nicht mehr der Fall, ganz im Gegenteil, aber man müßte es doch bedauern, wenn Schneiders Werk in Zukunft nur als ein „schwules" gewertet würde.

Sicher kultivierte der 1870 in Sankt Petersburg geborene, später unter anderem in Dresden lebende Schneider ein mit seiner Homosexualität verknüpftes Außenseitertum. Die kurze Zeit, in der er als Professor tätig war und ein bürgerliches Leben hätte führen können, empfand er eher als Last. Er entzog sich der Aufgabe so bald als möglich, wenn auch nicht ganz freiwillig, um dann, finanziell bedrängt, tief unglücklich über sein Lebensschicksal, in Italien vor und während des Ersten Weltkriegs seine produktivsten Jahre zu verbringen.

Die haben vor allem in einigen Plastiken ihren Niederschlag gefunden, die in der Kunsthalle Weimar – dem Ort, an dem Schneiders erste große Ausstellung im Jahr 1904 stattgefunden hatte – allerdings nur mit einem Modell und verschiedenen Abbildungen präsent sind. Im Zentrum stehen hier eine Reihe kleiner und größerer Werke, vor allem Gemälde und Graphiken, beginnend mit einer Variante von „Das Gefühl der Abhängigkeit" und endend mit einer anderen.

Dieses Bild, das einen nackten Jüngling in rückwärtiger Ansicht zeigt, der den Kopf geneigt, schicksalergeben, in Ketten vor einem lauernden Monstrum steht, war zu Schneiders Zeit wohl seine populärste Arbeit. Sie brachte darüber hinaus etwas von seiner resignativen Weltanschauung zum Ausdruck. Vor allem aber gehörte sie zu den besten Beispielen dessen, was Schneiders „Ideenmalerei" genannt werden kann.

Sieht man von Schneiders Bemühungen um die „Kraftkunst" (heute spräche man von Bodybuilding), zwecks Zucht perfekter Modelle, ab, war sein Werk in erster Linie darauf fixiert, bestimmte geistige Konzeptionen in allegorische Darstellungen umzusetzen. Dabei sind ihm zum Teil sehr eindrucksvolle Bilder gelungen, etwa die in Weimar gezeigten großformatigen Beispiele „Ikarus" und „Werdende Kraft".

Eine ganz eigene Wirkung entfalteten außerdem seine Entwürfe für die Umschläge der Werke Karl Mays. Schneider lernte den Schriftsteller 1903 kennen. Beide verband über Jahre eine sehr enge Beziehung, fast möchte man von Freundschaft sprechen. Trotz der Differenz in beider Weltanschauung – Schneider nannte sich ausdrücklich Atheist – sah Schneider in May „den Faust der armen Leute", während May davon überzeugt war, daß die Arbeiten Schneiders seine „Philosophie" adäquat zum Ausdruck brächten.

Karl May hatte schon im Empfangszimmer seiner „Villa Shatterhand" in Radebeul das fast wandfüllende Gemälde Schneiders „Der Chodem" (Das Gewissen) anbringen lassen und erhob bemerkenswerterweise auch keinen Protest, wenn Schneider bei seinen Vorschlägen für die Einbände von jedem Bezug auf den konkreten Inhalt der Erzählungen absah und sich darauf konzentrierte, allgemeiner die dualistischen, von gnostischen Elementen durchzogenen Ideen Mays zum Ausdruck zu bringen.

In welch eigenartiger Atmosphäre diese Symbiose von Autor und bildendem Künstler entstand, läßt ein Ausschnitt von Hans-Jürgen Syberbergs Film „Karl May" (1974) nachempfinden, der ein Gespräch der beiden nachstellt und in der Weimarer Ausstellung gezeigt wird. Man muß das auch deshalb als gelungenes Element der Inszenierung hervorheben, weil die Exposition ansonsten etwas lieb- und einfallslos wirkt, so daß man nur hoffen kann, daß Schneider bei anderer Gelegenheit und in anderem Rahmen noch einmal gewürdigt wird.

 

Die Ausstellung „Sascha Schneider –Ideenmaler und Körperbildner" wird noch bis zum 21. Juli in der Kunsthalle Weimar, Goetheplatz 9, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr gezeigt. Telefon: 0 36 43 / 77 93 76

Der Katalog ist seit langem die erste für ein breiteres Publikum erschienene Arbeit über Schneider (kartoniert, 160 Seiten, zahlreiche farbige und SW-Abbildungen, 29 Euro).

http://stadtmuseum.weimar.de

Sascha Schneider, Das Gefühl der Abhängigkeit, 1920: Schicksalergeben

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen