© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Stümperhaft gearbeitet, fürstlich bezahlt
Commerzbank: Das zweitgrößte deutsche Privatinstitut ist ein hoffnungsloser Fall / Milliardenschaden für Steuerzahler / Risikoportfolios an eine interne „Bad Bank" ausgelagert
Christian Schreiber

Tief, tiefer, Commerzbank-Aktie", titelte die Wirtschaftswoche. Das Handelsblatt zitierte einen Fondsmanager mit den Worten: „Die Commerzbank hat einen Ruf, immer auf jeder Bananenschale auszurutschen." Und unter Anlegern kursiert der Witz: „Was ist eine Blondine zwischen zwei Managern der Commerzbank? Nicht die Dümmste." Man könnte darüber lachen, ginge es nicht um eines der größten deutschen Kreditinstitute mit 43.000 Vollzeitstellen und einem Staatsanteil von 17 Prozent, der den Steuerzahler in Milliardenmithaftung nimmt.

Die 2009 mit der Dresdner Bank fusionierte Commerzbank finanzierte das Wirtschaftswunder, beide Institute waren Säulen der „Deutschland AG", jener wechselseitigen Verflechtung von Industrie und Banken, die den „Rheinischen Kapitalismus" vor dem Ausschlachten durch internationales Spekulationskapital erfolgreich bewahrte. Wer als Privatmann sein Konto bei den „Gelben" hatte, konnte stolz sein. Geschäftsbeziehungen mit der Commerzbank galten als Beleg für Bonität, die Bank genoß einen exzellenten Ruf.

Mit Auflösung der „Deutschland AG" Ende der neunziger Jahre begann der Commerzbank-Niedergang, der glänzende Leumund wurde innerhalb weniger Jahre nachhaltig ruiniert. Der erste Absturz erfolgte, als die New-Economy-Blase Anfang dieses Jahrhunderts platzte. Die Milliarden der deshalb 2003 beschlossenen Kapitalerhöhung verschafften eine Atempause.

„Bad Bank" für Allianz und Deutsche Bank

Diese und das Aktionärsgeld wurden jedoch dafür genutzt, aus der Commerz- eine „Bad Bank" für die Deutsche Bank und den Finanzkonzern Allianz zu machen: Angefangen von der fränkischen Lokalposse Schmidtbank über das Desaster Eurohypo bis hin zur Dresdner – der finanzielle Giftmüll wurde bei der Commerzbank abgeladen. Nach der Lehman-Pleite drohte im Herbst 2008 das Ende einer über 130jährigen Banktradition. Doch statt für ein Ende mit Schrecken entschied sich die deutsche Regierung – wie schon 1931 – für eine „alternativlose" Notverstaatlichung. Für einen faktisch wertlosen 25-Prozent-Anteil mußte der Steuerzahler mit 18,2 Milliarden Euro geradestehen.

Während die von dem späteren Deutsche-Bank-Chef Hermann Josef Abs erfolgreich organisierte erste Reprivatisierung bereits 1937 abgeschlossen war, ist ein Ende der heutigen Commerzbank-Misere nicht abzusehen. Denkbar ist, daß die zweitgrößte Bank bei 4,50 Euro aus dem Leitindex Dax verschwindet. Vorige Woche rutschte das Wertpapier auf 5,73 Euro ab – seit Jahresbeginn hat sich der Aktienwert halbiert. Nominell wäre die Commerzbank bei 1,2 Milliarden Anteilsscheinen kaum sieben Milliarden Euro wert. Der „Aktienkurs sieht aus wie die Treppe des Grauens" schrieb die Welt. „Der Kursrückgang ist fundamental in keiner Weise gerechtfertigt", behauptet Finanzvorstand Stephan Engels. Doch trotz der Ankündigung, weltweit 5.200 Stellen zu streichen und der seit „2012 kommunizierten Abbaustrategie für das Segment Non Core Assets" (Nicht-Kerngeschäft) schlittert die Bank ungebremst in den Abgrund. Wieviel das Portfolio an Schiffskrediten, das mit 18 Milliarden Euro in den Büchern steht, wirklich wert ist, weiß niemand. Etwa drei Milliarden Euro wurden bereits zur Risikovorsorge zurückgestellt.

Die Immobilien- und Schiffsfinanzierungen waren 2012 mit 1,5 Milliarden für fast ein Viertel des Bilanzverlustes verantwortlich. Die Gewinne im Firmen- und Privatgeschäft konnten das nicht ausgleichen. Über 140 Milliarden Euro des Risikoportfolios sollen derzeit in eine interne „Bad Bank" ausgelagert sein. Auch der staatliche Rettungsfonds Soffin muß mit Verlusten rechnen. Durch verschiedene Kapitalerhöhungen hat die Commerzbank zwar mittlerweile die stille Einlage zurückzahlen können, doch Experten schätzen, daß letztendlich ein sattes Minus von ein bis zwei Milliarden Euro beim Steuerzahler hängenbleibt.

Bei Anlegern wächst hingegen die Wut auf Vorstandschef Martin Blessing, der nach Rückzahlung des letzten Teils der stillen Staatseinlage davon sprach, daß man „nun wieder eine ganz normale Bank" sei. Blessing und seine acht Vorstandskollegen nutzten das Zurückfahren des Steuerzahleranteils bereits vor einem Jahr dazu, ihre Gehaltsdeckelung auf 500.000 Euro aufzuheben. Blessings Salär stieg damit auf 1,3 Millionen Euro – das Plus von 160 Prozent war die höchste Steigerung beim Festgehalt innerhalb der 30 Dax-Konzerne. Dabei wurde nur ein Gesamtgewinn von knapp sechs Millionen Euro erzielt. Die Commerzbank-Anteilseigner erhielten daher auch 2012 keine Dividende. Und für seine Rettungshilfen bekam der deutsche Staat bislang nur einen Bruchteil der versprochenen Zinsen.

Auch die in den vergangenen Jahren ohnehin drastisch geschrumpfte Belegschaft wird weiter bluten. Der Abbau von Filialen und Geschäftsfeldern ist automatisch mit Kahlschlag beim Personal verbunden. Nachhaltige neue Investitionsstrategien sind nicht in Sicht. „Wenn eine Bank innerhalb von fünf Jahren von einem Restrukturierungsprogramm ins nächste stolpert, stimmt etwas nicht. Da wird stümperhaft gearbeitet", urteilt der Fairesearch-Finanzexperte Dieter Hein, gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Der Analyst, der die Bank seit vielen Jahren begleitet, forderte den Rauswurf von Blessing. Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller, unter dessen Ägide bis 2008 die größten Fehlinvestitionen passierten, solle am besten gleich mitgehen. „Wenn man unterstellt, daß sich Blessing und Müller zum Ziel gesetzt haben, die Bank möglichst schnell kaputtzumachen, dann macht jeder einzelne Schritt ihrer Strategie Sinn."

Erst ruiniert und dann verstaatlicht

Daß die Commerzbank ohne Hilfe von außen noch einmal auf die Füße kommt, ist auch aus einem anderen Grund unwahrscheinlich: Das Institut hat schwierige Milliarden-Investitionen in Euro-Krisenländern wie Spanien, Italien oder Portugal getätigt. „Die Schulden der Banken aus den sechs am stärksten von der Krise betroffenen Staaten summieren sich auf insgesamt 9.400 Milliarden Euro. Diese Zahl ist fast dreimal so groß wie die Summe der jeweiligen Staatsschulden, die sich auf 3.500 Milliarden Euro beläuft", heißt es in einer Analyse des Ifo-Instituts.

Am Ende könnte sich ein Bonmot aus den Wochen nach der Lehman-Pleite bewahrheiten: „Im Sozialismus werden erst die Banken verstaatlicht und dann ruiniert, im Kapitalismus werden sie erst ruiniert und dann verstaatlicht." Denn Politiker aller Couleur glauben weiter an die Mär vom „too big to fail" – Institute wie die Commerzbank seien zu groß, um scheitern zu können.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen