© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Grüße aus Athen
Staats-TV – Nein danke
Panayotis Doumas

Es ist Juli und die griechische Hauptstadt scheint einer toten Stadt gleich. Vor kurzem war das nur im August der Fall, wenn alle in den Urlaub fuhren. Doch dies ist längst Vergangenheit. Kaum ein Athener kann noch die Kosten für einen Familienurlaub stemmen. Bei einem Benzinpreis von 1,70 Euro pro Liter und 70 Euro pro Nacht in einer – preiswerten – Pension, erscheint dies für viele ein hoffnungsloses Unterfangen.

Wenn die Griechen kein Geld zum Verreisen haben, wie kann dann Athen so öd aussehen? Die normalerweise unerträglich vollgestopften Straßen sind ebenso leergefegt wie die sonst täglich gut gefüllten Gaststätten.

Wo sind die Athener? Selbstverständlich vor der Glotze. Wie das? Hatte die Koalitionsregierung nicht die zehn landesweiten Fernsehprogramme der staatlichen griechischen Fernsehgesellschaft (ERT) vor einem Monat abrupt geschlossen?

Der weitaus größte Teil der Griechen schaut lieber Privatfernsehen: Skai, Mega und Antenna.

Paradox: Fast niemand schaut, fast niemand vermißt das Staatsfernsehen. Ausnahme bilden lediglich ältere Menschen, die keinen Zugang zu den neuen Medien haben.

Der Großteil der Griechen schaut Privatfernsehen: Skai, Mega und Antenna. Auch TV im Internet und via Smartphone liegen im Trend. Ebenso willkommen ist, daß die Elektrizitätsrechnung von den bis dato dort eingeforderten Fernsehgebühren befreit wurde.

ERT galt und gilt für die meisten Griechen als Propaganda- und Jobmaschine der jeweiligen Regierung. Um die einhundert von 400 ERT-Journalisten hatten bis 2011 ein Jahreseinkommen zwischen 90.000 und 300.000 Euro. Überhaupt sah ein Großteil der 2.600 Journalisten, Techniker und des Verwaltungspersonals beim Protest vor dem ERT-Sitz seinen Arbeitsplatz zum ersten und letzten Mal.

Viele Griechen meinen, daß man kein Staatsfernsehen brauche – genauso wie man eben auch keine Staatszeitung benötige. Langweilige Filmauswahl, mangelnde Qualität, unverständliche Avangardekunst und uralte Dokumentationen potenzierten den Unmut. Ebenso die nervende Streiklust der ERT-Mitarbeiter. Sogar bei Spielen der Fußball-Champions-League mußte ich sehr oft ohne Kommentator auskommen.

Frustriert über den Verlust zogen Oppositionelle via Facebook Bilanz: Wir hofften, daß irgendwann ERT den Fall der Regierung ankündigen wird. Stattdessen hat die Regierung den Fall von ERT bewerkstelligt.

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