© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Linke Drohgebärden gen Budapest
Ungarn: Während die Nato das Engagement des Landes lobt, prangert das Europaparlament die Regierung an
Reinhard Liesing

Anders Fogh Rasmussen war voll des Lobes: „Wir schätzen das Engagement Ungarns für unser Bündnis." Ausdrücklich begrüßte der Nato-Generalsekretär anläßlich seines Besuchs in Budapest, daß Ungarn seine Streitkräfte trotz haushaltspolitischer Sparzwänge ausbauen und stärker bei Nato-Einsätzen mitwirken werde. „Das internationale Engagement Ungarns", so Rasmussen, sei „beispielhaft", seine Soldaten hätten „bei den Afghanistan- und Kosovo-Missionen professionelle Arbeit geleistet."

Worte, die Ministerpräsident Viktor Orbán angesichts der Gefechtslage an der EU-Front mit Genugtuung erfüllten. Denn das seit seinem Amtsantritt im Frühsommer 2010 überaus gespannte Verhältnis zu Brüssel hat sich weiter verschärft. Als Ausgangspunkt diente die letztwöchige Debatte des Europaparlaments über den „Bericht zur Lage der Grundrechte in Ungarn", den Rui Tavares, portugiesischer Abgeordneter der Euro-Grünen, erstellt hatte. Darin heißt es, die jüngsten Verfassungskorrekturen stellten „systemische Veränderungen" dar, zudem seien in Ungarn „besorgniserregende Tendenzen bezüglich der rechtsstaatlichen Ordnung" festzustellen. Tavares plädierte dafür, das Land und seine Regierung unter Beobachtung zu stellen und dafür eine neu zu schaffende Kommission einzusetzen.

In der folgenden Abstimmung hießen 370 der 701 Abgeordneten den Bericht gut, 249 stimmten mit Nein, 82 enthielten sich. Für die entsprechende Entschließung stimmten die Fraktionen der Sozialisten und Sozialdemokraten (SPE), der Linken und Kommunisten (ELP), der Liberaldemokraten (ELDR) sowie der Grünen (EGP). Christliche Demokraten und Volksparteien (EVP/EPP) sowie Konservative (Torys) und Reformisten (ECR) waren ebenso dagegen wie die Fraktion europäischer Rechtsparteien („Europa der Freiheit und Demokratie"; EFD) sowie viele fraktionslose Abgeordnete.

Die Resolution droht der Regierung Orbán mit einem Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags, an dessen Ende der Entzug der ungarischen EU-Stimmrechte stünde. Dennoch dürfte es hierzu nicht kommen, denn dazu wäre nicht nur eine Zweidrittelmehrheit im Europaparlament nötig, welche gegen die stärkste Fraktion EVP/EPP, der Orbáns Fidesz angehört, nicht erreicht werden kann, sondern zusätzlich ein nicht zu erwartender Mehrheitsbeschluß im Europäischen Rat, also der Staats- und Regierungschefs.

Gleichwohl veröffentlichte Budapest ein Memorandum, in dem es heißt, der Tavares-Bericht tue Ungarn und seinem Volk zutiefst unrecht und messe mit zweierlei Maß. Orbán äußerte in einem Hörfunkinterview, „seit der Herrschaft des Sowjetreichs" habe „keine andere äußere Macht versucht, offen die Souveränität Ungarns einzuschränken". Die Magyaren wollten „nicht in einem Europäischen Reich leben, mit einem Zentrum Brüssel, von wo aus sie uns an der Peripherie sagen, was wir zu tun und lassen haben".

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