© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Euro-Kritiker auf der Zielgeraden
„Alternative für Deutschland": Nach der Zulassung durch den Bundeswahlausschuß kann die Partei ihren Wahlkampf planen
Marcus Schmidt

Anfang der Woche fehlten nur noch Bayern und Sachsen-Anhalt. In allen anderen Bundesländern hatte die „Alternative für Deutschland" (AfD) die bis zu 2.000 Unterstützungsunterschriften je Bundesland, die notwendig sind, damit die neugegründete Partei mit Landeslisten zur Bundestagswahl antreten kann, bereits zusammen.

Daß ausgerechnet diese beiden Landesverbände noch nicht „durch" waren, hatte gute Gründe. In Bayern mußte Ende Juni die Landesliste neu aufgestellt werden, was zur Folge hatte, daß erst am 1. Juli erneut mit der Sammlung von Unterstützungsunterschriften begonnen werden konnte. In Sachsen-Anhalt wiederum war die AfD von der Flutkatastrophe ausgebremst worden. Dennoch: „Wir denken, daß wir in den nächsten Tagen durch sind", sagte Parteisprecherin Dagmar Metzger am Dienstag mit Blick auf die beiden Länder.

Damit steht der flächendeckenden Teilnahme der AfD an der Bundestagswahl nichts mehr im Wege. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Euro-kritische Partei eine weitere wichtige Hürde genommen. Der Bundeswahlausschuß unter Leitung von Bundeswahlleiter Roderich Egeler ließ die Partei auf seiner Sitzung in Berlin ohne Diskussion einstimmig zur Wahl zu, da die AfD zuvor alle formalen Voraussetzungen anstandslos erfüllt hatte.

„Innerhalb von knapp fünf Monaten haben wir es geschafft, die Partei zu gründen, in 16 Bundesländern Landesverbände zu bilden und Landeslisten aufzustellen. Nun sind wir auf dem besten Weg in Richtung Bundestag", freut sich der Chef und Gründer der AfD, Bernd Lucke.

Weniger Grund zur Freude dürfte Lucke und seinen Parteifreunden derzeit allerdings der Blick auf die Umfragewerte bereiten. Sowohl das Meinungsforschungsinstitut Emnid als auch Forsa sehen die AfD in ihren in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfragen bei zwei Prozent. Der erste Hype um die Partei, der Lucke zahlreiche Talk-Show-Auftritte bescherte und die Partei in den Umfragen nahe an die Fünfprozenthürde führte, scheint vorbei. In der Partei wächst die Erkenntnis, daß die AfD zwar in den Medien und im politischen Berlin in den vergangenen Monaten viel Aufmerksamkeit erfahren hat, in der Bevölkerung aber noch kaum bekannt ist. „Viele kennen uns noch gar nicht", berichtet Antonia Hanne von der AfD Bremen am Rande des Bundeswahlausschusses von ihren Erfahrungen bei der Sammlung von Unterschriften.

Daß den Mitgliedern der AfD in jeder Hinsicht ein harter Wahlkampf bevorsteht, zeigte sich schon bei der Unterschriftensammlung in den vergangenen Wochen. Vereinzelt wurden hierbei Mitglieder auf der Straße beschimpft und bepöbelt. Linksextremisten beobachten die von ihnen als rechtspopulisitsch bezeichnete Partei argwöhnisch und sammeln im Internet jede verfügbare Information auch und gerade über vermeintliche „Rechtsextremisten" in den Reihen der Partei.

In Hamburg mußte in der vergangenen Woche sogar die Polizei eingeschaltet werden, nachdem mindestens acht Plakate der Partei zerstört worden waren. Wie es aus der Partei heißt, ist dies beileibe kein Einzelfall. denn nun konnte der bisher nur im nördlichen Schleswig-Holstein agierende SSW auch Stimmen in Gebieten fischen, in denen niemals Dänen ansässig waren, etwa in Dithmarschen oder in Lübeck. Ist er dann aber noch eine Minderheitenpartei?

Es trat ein, was vorauszusehen war. Von den etwa 60.000 Stimmen, die bei der Landtagswahl 2012 auf den SSW entfielen, stammten rund 20.000, also ein Drittel, aus rein deutschen Gebieten, also etwa von Protestwählern, keinesfalls aber von Dänen. Die wundersame Vermehrung der „dänischen“ Stimmen bescherte dem SSW im Mai 2012 bei der Landtagswahl 4,6 Prozent und drei Landtagsabgeordnete. Jede andere Partei hätte mit diesem Ergebnis den Einzug in das Parlament verfehlt, nicht aber der privilegierte SSW. Genau diese drei Stimmen aber wurden benötigt, um eine sogenannte „Dänen-Ampel“ aus SPD, Grünen und SSW zu bilden, die nunmehr eine Stimme mehr hatten als CDU und FDP. Unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) stellt der SSW mit Kultusministerin Anke Spoorendonk nun erstmals in der Geschichte eine dänische Ressortchefin.

Die CDU war zwar enttäuscht, resignierte aber, während ihre Jugendorganisation aktiv wurde. Die Junge Union reichte beim Landesverfassungsgericht eine Klage ein, weil sie die Ansicht vertritt, der SSW verdiene keine Privilegierung als Minderheitenpartei mehr, weil er durch sein Wirken im ganzen Land Schleswig-Holstein zur normalen Regionalpartei geworden sei. Eine solche aber unterliege der Fünfprozenklausel, so daß die jetzigen drei SSW-Abgeordneten zu Unrecht im Kieler Landtag säßen. Damit aber verlöre die Koalition ihre Mehrheit. Außerdem weise das Wahlprogramm des SSW bereits aus, daß die Minderheitenbelange nur noch einen geringen Stellenwert hätten.

Jetzt hatten die Kontrahenten die Möglichkeit, ihre Argumente vor dem Landesverfassungsgericht zu präsentieren und dessen Fragen zu beantworten. Es fiel auf, daß die dänische Minderheit vor allem politisch argumentierte. Sie warnte davor, daß das Verhältnis zu Dänemark Schaden nehmen könnte, wenn man der Minderheit das Vorrecht abspräche. Die Kläger dagegen, vertreten durch den Rechtsanwalt Trutz Graf Kerssenbrock, machten ihre Position deutlich, nach der der SSW durch die Sonderregelung gegenüber anderen Parteien überprivilegiert sei, wodurch der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verletzt werde.

Das Gericht wird nach den Sommerferien das Urteil sprechen, von dem das Schicksal der Landesregierung in Kiel abhängt.

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