© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Querdenker gegen das Aktenchaos
Verfassungsschutzreform: Mit ungewöhnlichen Ansätzen versucht Amtschef Hans-Georg Maaßen das Ansehen seiner Behörde aufzupolieren
Christian Schreiber

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat keine wirklich guten Jahre hinter sich. Zuerst blamierte sich der deutsche Inlandsgeheimdienst beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren, dann spielte er eine dubiose Rolle in der Affäre um die mutmaßliche Terrorzelle des „Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Und schließlich zeigte sich die Amtsführung komplett ahnungslos, als jetzt das Ausmaß bekannt wurde, in dem der amerikanische Geheimdienst NSA in der Bundesrepublik spitzelte.

In diesem Spannungsfeld zwischen NSU und NSA versuchen sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an einer Strukturreform, die das Ansehen des angeschlagenen Amtes aufbessern und seine Effizienz steigern soll. In den vergangenen zehn Monaten hat man intern eifrig gewerkelt, doch der große Wurf ist nicht gelungen. Amtschef Maaßen glaubt dennoch, daß die Behörde ihre Analysefähigkeit verbessern konnte und weiter verbessern wird. „Wir müssen über den Tag hinaus denken, und es muß uns dauerhaft gelingen, die Effizienz zu steigern", sagte er bei der Vorstellung der Reform in der vergangenen Woche. Das Bundesamt will künftig „gewaltorientierte Phänomene" mit größerem Einsatz beobachten. Bei weniger akuten Fällen will sie die Intensität dafür zurückfahren. „Wir werden uns mehr auf das Wesentliche konzentrieren. Eine Demo von Neonazis und entsprechende Gegendemos sind nicht das Entscheidende. Viel wichtiger sind Erkenntnisse, welche neuen Strukturen es in den Szenen gibt."

Intern soll sich ebenfalls einiges ändern. Nachdem im Zuge der NSU-Affäre zutage kam, daß die Behörde einen höchst fragwürdigen Umgang mit brisanten Akten pflegte, gibt es nun interne Vorschriften zum Umgang mit Daten und Dokumenten. Darüber, wie man die Einhaltung dieser Vorgaben kontrollieren wolle, schwiegen sich Maaßen und Friedrich allerdings aus.

Der Minister kündigte dagegen auf einem anderen Feld klare Kante an. Er will die Rolle des Bundesamts gegenüber den Landesämtern stärken. Künftig müssen die Landesämter alle Informationen an das Kölner Bundesamt weiterleiten – bislang lag dies in ihrem eigenen Ermessen. Während die Bundesländer hier bereits zugestimmt haben, bremsen sie an anderer Stelle. Sie wollen es nicht hinnehmen, daß sich das Bundesamt in regionale Ermittlungen einschaltet: „Ich werde hart bleiben in dieser Frage", kündigte Friedrich an. Neu geregelt wird auch der Umgang mit V-Leuten. Keiner dieser Informanten soll künftig mehr so viel Geld erhalten, daß er davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Man wolle schließlich keine Extremisten-Karrieren fördern, sagte Friedrich.

Doch an diesem Punkt zeigt sich die große Schwäche dieser Reform. Zwar wurde beschlossen, daß das Bundesamt und die 16 Landesämter künftig eine gemeinsame Datei mit V-Leuten führen wollen, um zu verhindern, daß sie den gleichen V-Mann auf dem Lohnzettel haben, ohne vom jeweils anderen Einsatz zu wissen. Doch am Nebeneinander zwischen zentralen und föderalen Kompetenzen hat sich nichts Wesentliches geändert.

„Zeit für einen radikalen Neubeginn"

Klarnamen von V-Leuten finden sich in dieser Liste nicht und die Frage, ob eine Behörde gegenüber der anderen auskunftspflichtig ist, bleibt ebenfalls noch umstritten. Dafür sollen die Kontaktpersonen für die V-Leute regelmäßig getauscht werden, um kein Näheverhältnis entstehen zu lassen. Friedrich und Maaßen verkaufen ihre Umstrukturierung dennoch als großen Durchbruch. Der Verfassungsschutzpräsident kündigte zudem an, eine Querdenker-Gruppe einzusetzen, die unkonventionelle Ansätze verfolgen und so frischen Wind in die Behörde bringen soll.

Die Reaktionen auf die Reform fielen allerdings verhalten aus. Während die Regierungskoalition von einem Schritt in die richtige Richtung sprach, kritisierte die SPD die Vorschläge als nicht weitgehend genug. Die Linkspartei forderte erneut die Abschaffung des Verfassungsschutzes und erhielt Unterstützung von den Grünen. „Es wäre Zeit für einen radikalen Neubeginn", hieß es aus der Bundestagsfraktion.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, äußerte sich überraschend deutlich und zeigte sich enttäuscht: „Eine große Nummer ist das nicht. Das, was sich ändern soll, ist in anderen Behörden schon an der Tagesordnung. Man versucht, Normalität zu erreichen."

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