© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Kein Auslaufmodell
Erholung, Bildung, Artenschutz und Wissenschaft sind die Zukunftsaufgaben eines modernen Zoos
Bodo Sievers

Mit der Eröffnung des 1,6 Hektar tropischen Regenwald simulierenden „Gondwanaland“ ist der Leipziger Zoo in die Weltspitze der Tiergärten vorgestoßen (JF 29/11). Der 70-Millionen-Euro-Kraftakt, so befindet Jörg Junhold, seit 1997 Zoodirektor an der Pleiße, habe sich bereits im regionalen Rahmen, für Leipzig und Mitteldeutschland, allemal rentiert. Heute zähle sein Zoo zu den markantesten Attraktionen des einstigen Mekkas deutschen Verlagswesens. Seit dem Dienstantritt des Veterinärmediziners, als man 675.000 Besucher registrierte, hat sich deren Zahl mit weit über zwei Millionen verdreifacht. Für Investitionen erwirtschafte der Zoo daher seit geraumer Zeit die Hälfte der Mittel selbst.

„Hervorragende Tierhaltung“

Unbeeindruckt von diesem Publikumserfolg zeigen sich weiterhin Tierschützer. Aus ihrer Sicht vermag kein Zoo der Welt artgerechte Areale zur Verfügung zu stellen. Ihnen gelten darum selbst so ambitionierte Unternehmen wie der um Godwanaland bereicherte Leipziger Zoo als „Auslaufmodell“. Der massige Manager Junhold ist jedoch nicht der Typ, der vor solchen Anwürfen einknickt. So räumt der gebürtige Brandenburger des Jahrgangs 1964, ein Medienprofi, im Gespräch mit Bild der Wissenschaft (6/13) zwar freimütig ein, daß „abschreckende Zoos“ leider Wasser auf die Mühlen radikaler Tierschützer leiten. In Südostasien etwa, wo es inakzeptable Shows mit handaufgezogenen Menschenaffen und Tigern gebe, oder in Afrika, vor allem in Kairo, herrschten tatsächlich „schreckliche Zustände“.

Trotzdem sei aus solchen negativen Beispielen keine Munition für fundamentalistischen Widerstand zu gewinnen, der nach weltweiter Abwicklung zoologischer Gärten verlangt. In Deutschland zumal könne man solche Forderungen mühelos mit dem Nachweis „hervorragender Tierhaltung“ parieren, und die letzte große europäische Studie (2011) habe den westeuropäischen und nordamerikanischen Zoos insgesamt einen „sehr hohen Standard“ artgerechter Tierhaltung attestiert. Nichts untergrabe daher den Anspruch, die vier Hauptgaben der Zoos im 21. Jahrhundert erfüllen zu können: Erholung, Bildung, Artenschutz und Wissenschaft. Wo sonst als im nahezu „persönlichen“ Umgang mit Tieren könnten Gefühle angesprochen werden, die sich dann öffentlich wirksam erwiesen im Einsatz für Artenschutz und Arterhalt? Ohne auf den Berliner Eisbären „Knut“ einzugehen, verweist Junhold auf die Werbekraft spektakulärer Nachzuchten. Im Februar 2013 durfte er sich über die Geburt eines sehr seltenen Schabrackentapirs freuen. Seit Mai 2011 bereichert der junge Komodowaran „Kampung“ seine Menagerie, eine faszinierende, bis zu fünf Meter lange Echse, die in freier Wildbahn nur noch auf kleinen Inseln östlich von Java anzutreffen ist, wo der tapsig wirkende, Ziegen und Hirsche vertilgende, so blitzschnelle wie hochgefährliche „Drache“ anlandenden Kreuzfahrertrupps in sicherer Entfernung gern als „Menschenfresser“ präsentiert wird.

In Leipzig stünden Zuchterfolge wie bei Tapiren und Waranen nicht nur dafür, daß man es ernst meine mit dem Dienst am Artenschutz. Auch die Kooperation mit wissenschaftlichen Institutionen wie dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und dem Institut für Zoo- und Wildtierforschung gehöre zum Zoo-Alltag. Eigene Forschung leiste man in der Veterinärmedizin, und der Direktor befaßt sich ungeachtet seines dichten Terminkalenders mit wissenschaftlichen Fragen der Wiederansiedlung des Sabah-Nashorns in Borneo oder der Neuklassifizierung von Löwen-Unterarten. Nur in dieser engen Vernetzung mit der Wissenschaft könnten Zoologische Gärten ihre Position an der „Nahtstelle zwischen der freien Wildbahn und der Zivilisation“ behaupten, um das Bewußtsein der Besuchermassen für die Bewahrung „unserer natürlichen Umwelt“ zu festigen.

Tropenerlebniswelt „Gondwanaland“: zoo-leipzig.de/interaktiver-zooplan/

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