© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

„Israel ist nur eine Erfindung“
Historiker Shlomo Sand provoziert schon wieder
Uwe Ullrich

Das vergangene Jahrhundert in Europa war eine Leidensgeschichte des jüdischen Volkes in der Diaspora und stets begleitet von der Kritik am Handeln ihrer 1948 gegründeten Heimstatt Israel, die bis heute nicht zur Ruhe kommt.

Die lauernden Gefahren der Einwanderung ins Heilige Land beschrieb bereits 1930 Albert Einstein, als er gegen eine direkte Konfrontation mit den ansässigen Arabern mahnte: „Es betrübt mich weniger, daß die Juden nicht klug genug sind, dies zu erfassen, als das sie nicht über genug Gerechtigkeitssinn verfügen, um das zu wollen.“ Dessen Einsicht repetierte der israelische Historiker Shlomo Sand bereits in seinem 2009 erschienenen Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes“, um jetzt den „Mythos Israel“ zu entzaubern.

Wie schon beim ersten Buch finden sich viele Kritiker an Sands Werk. Zentrale These ist die Unterstellung, Sand wolle das Existenzrecht des Staates negieren. Dem ist keineswegs so, denn der Wissenschaftler stellt nicht die Staatsgründung in Frage, sondern wägt Mythen, welche zur Legitimierung der Entstehung und der aktuellen Politik und des Judenstaates herangezogen werden. In diesem Sinne entzaubert der Autor den Grundsatz „historischen Anrechts“ auf das Territorium ebenso wie die moralische Rechtfertigung der Landnahme. Er kritisiert nicht nur die etablierte Historiographie, sondern charakterisiert damit zugleich den „revolutionären Paradigmenwechsel, den der Zionismus innerhalb eines zusehends geschwächten Judentums auslöste“. Seine Beschreibung weist nach, daß dieser Religion instrumentalisierte, um den theologischen Kern zu entkräften. Das Resultat sei eine Legimitationsideologie.

In einer zweiten Kernthese untersucht Sand die Legende von der „Rückkehrbewegung“ der Juden. Zur Bestätigung der Aussage präsentiert der Historiker Berichte christlicher Pilger, die zahlreicher sind als jene jüdischer Reisender. Im Zug der Entstehung von Nationalstaaten im 19. Jahrhundert waren es puritanische oder evangelikale Christen, die jüdischen Mitbürgern die Heimkehr ins Gelobte Land ermöglichen wollten. Sie und spätere britische Staatsmänner glaubten, daß ein neues Großisrael für die Erlösung der Welt unerläßlich sei.

Shlomo Sand: Die Erfindung des Landes Israel. Mythos und Wahrheit. Propyläen Verlag, Berlin 2012, gebunden, 396 Seiten, 22,99 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen