© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/13 / 05. Juli 2013

Grüße aus Tokio
Hoffen auf ein Wunder
Albrecht Rothacher

Die erste Schlacht ist geschlagen. Tokio hat sein Regionalparlament gewählt. Manch einer rieb sich die Augen. Erdrutschsieg für die konservativen Liberaldemokraten von Premier Shinzo Abe. Alle 59 Kandidaten durchgebracht. Auch die 23 Mann und Frau des buddistischen Koalitionspartners Komeito (Saubere Partei) gewannen.

Dabei war der Wahlkampf – wie immer in Japan – einzigartig langweilig und inhaltsleer. Den Kandidaten ist nur erlaubt, ihr Konterfei an den wenigen vorhergesehenen Flächen zu plakatieren, Hände zu drücken, vor Bahnhöfen Kurzreden zu halten und mit dem Lautsprecherwagen umherzufahren – wobei sie mit den größtmöglichen Höflichkeitsformeln unausgesetzt ihren Namen wiederholen.

Denn die japanischen Wähler müssen den Kandidatennamen auf den Wahlzettel schreiben. Durch ständige Wiederholungen soll er sich einprägen. Die Wahlbeteiligung lag dann auch nur bei 43 Prozent. Es gingen mehrheitlich nur noch die Alten und die besser organisierten buddhistischen Sektierer und die Kommunisten zur Wahl.

In Kinderwagen werden meist Kleinhunde statt Säuglinge spazierengefahren.

Warum aber der Wahlsieg der LDP, der sich bei den Oberhauswahlen in vier Wochen wiederholen dürfte? Noch hat das Reflationsprogramm (Abenomics) von Premier Abe außer der Yen-Abwertung, höheren Importpreisen und Unternehmensgewinnen und einem inzwischen wieder abgeebbten Börsenboom dem japanischen Normalverbraucher wenig gebracht. Die Löhne stagnieren weiter. Das Kapital fließt ins asiatische Ausland. Doch hofft er verzweifelt auf einen Aufschwung: Mögen bitte die guten Zeiten des technischen Fortschritts und Wirtschaftswachstums, steigender Einkommen und Renten, nach zwanzig Jahren Stagnation bitte wiederkommen.

In diesem rapide alternden Land, mit seinen saturierten Märkten, in dem die engen Wohnungen mit Konsumartikeln aller Art von oben bis unten vollgestopft sind, in dem in Kinderwagen meist Kleinhunde statt Säuglinge spazierengefahren werden und das jährlich um 300.000 Menschen schrumpft – der Einwohnerzahl einer mittleren Großstadt entsprechend –, ist langfristig weder ein Innovations- noch ein Wachstumswunder zu erwarten.

Insofern ist Japan ein Menetekel für Europa, und es ist dabei jammerschade um den Verfall jener hochentwickelten Zivilisationen. Wahlen hin. Wahlen her.

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