© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Frisch gepresst

Rheinwiesenlager. Der Streit über die Opferzahlen, der vor 25 Jahren vom kanadischen Historiker James Bacques („Der geplante Tod“) befeuert wurde, ist bis heute nicht beigelegt. Er überschattet auch das Gedenken an die Opfer, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Kriegsgefangenenlagern der US-Amerikaner an Rhein und Nahe gestorben sind. Der Regionalhistoriker Wolfgang Gückelhorn und Kurt Kleemann, Stadtarchivar von Remagen, haben sich in einem Dokumentarband zwei der etwa zwanzig Lager – Remagen und Sinzig zwischen Bonn und Koblenz – gewidmet. Freilich hängen sie nicht der These Bacques an, wonach bis zu einer Million deutscher Gefangener in US-Gewahrsam kalkuliert verrecken mußten. Der Historiker Rüdiger Overmans führt stattdessen in seinem Beitrag „eine mögliche, aber nicht belegte Zahl an Gesamtverlusten von zirka 10.000 Menschen“ an. Die Tatsache, daß es sich bei den hungernden Massen, die nach der Kapitulation im Juniregen 1945 in Erdlöchern hinter Stacheldraht vegetierten, um einen eklatanten Verstoß der Amerikaner gegen das Kriegsvölkerrecht handelte, gerät bei teils zynischen Bildkommentaren von „Sonnenbadenden“ oder desillusionierten, abgemagerten Jugendlichen („Das war kein Endsieg“) in der Dokumention leider etwas aus dem Blick. (bä)

Wolfgang Gückelhorn, Kurt Kleemann: Die Rheinwiesenlager Remagen und Sinzig. Helios Verlag, Aachen 2013, gebunden, 119 Seiten, Abbildungen, 26,50 Euro

Bildungsrevolution.  Die Schule ist seit Ende des 18. Jahrhunderts der Hauptagent des Nationalstaates. Bildung ist damit Treibstoff der Nationalisierung, der Homogenisierung des kollektiven Bewußtseins. Doch das ist nur ein Aspekt der in Deutschland vorangetriebenen, den Lehr- und Lernmarkt verstaatlichenden „Bildungsrevolution“, die neben der politischen in Frankreich und der industriellen in England das Gesicht der „Achsenzeit“ (Karl Jaspers) zwischen 1770 und 1830 geprägt hat. Seit über dreißig Jahren kreist das Werk des an Michel Foucault geschulten Kulturwissenschaftlers Heinrich Bosse um dieses Phänomen. Seine wichtigsten Aufsätze hat der Herausgeber Nacim Ghanbari nun in einem Sammelband vereint, dem ein leider viel zu kursorisches Gespräch mit Bosse als Einleitung vorangestellt ist. (wm)

Heinrich Bosse: Bildungsrevolution 1770–1830. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2012, gebunden, 396 Seiten, Abbildungen, 45 Euro

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