© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Blick in die Medien
Ellbogeneinsatz für Obama
Toni Roidl

Am Ende hilft nur Humor. „Lassen Sie mich durch, ich bin von der Presse“, kalauert einer der Fotografen am Eingang des Pressezentrums der Bundesregierung. Etwa 200 Journalisten warten dort in der prallen Sonne auf einen der begehrten Sonderausweise für den Besuch des amerikanischen Präsidenten. Als unvermittelt ein Mitarbeiter „Wortpresse, bitte mitkommen“ ruft, haben über 50 Journalisten in der Schlange denselben Einfall: Wortpresse? Das bin doch ich! Mit Ellbogen und reichlich Körperkontakt wird um jeden Zentimeter gekämpft. Erzählungen von anderen Reportern, die zuvor keinen Ausweis mehr erhalten haben, steigern die Motivation, nicht nur den Kollegen, sondern auch den Anstand für einige Momente beiseite zu schieben.

Wasserflaschen und Sonnenschirme waren für Journalisten trotz Hitze verboten.

Als Obama dann eintrifft, wird es noch schlimmer. Zumindest auf der Fahrt im Pressebus zum Pariser Platz werden Wasserflaschen gereicht. Andere nutzen die fast 40 Minuten in dem schwach klimatisierten Fahrzeug zu einem Nickerchen und demonstrieren ihre Vorfreude auf den Präsidenten mit lautem Schnarchen. Wasserflaschen und Sonnenschirme sind vor dem Brandenburger Tor aus Sicherheitsgründen verboten – auch für die Presse. Bei 35 Grad im Schatten fühlen sich einige auf der Tribüne wie Würstchen auf einem riesigen Freiluftgrill. Und von Schatten keine Spur!

Notizblöcke müssen als notdürftige Kopfbedeckung herhalten. Und Mr. President läßt auf sich warten. Er kommt mit einer halben Stunde Verspätung. Der Höhepunkt seiner Rede gleich zu Beginn: Obama zieht sein Sakko aus, die Menge jubelt. Das war’s dann auch schon. Unsicher, ob trunken von der Rede oder lädiert von einem Sonnenstich, macht sich der Troß wieder auf, zurück ins Pressezentrum. Erst dort kommt bei Häppchen und Kuchen die richtige Stimmung auf: Yes, we can!

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