© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Abschied vom „Soprano“-Boß
Nachruf: Zum Tod von James Gandolfini
Markus Brandstetter

Daß ein beruflich gestreßter Mann von Mitte Vierzig Panikattacken, Schwindelanfälle und hohen Blutdruck hat, ist nicht außergewöhnlich. Daß ein solcher Mann irgendwann zum Psychiater geht, um von seinen psychosomatischen Beschwerden wegzukommen, ebenfalls nicht. Außergewöhnlich wird es erst, wenn dieser Mann ein Mafiaboß ist, der die gesamte Bauindustrie in einem amerikanischen Bundesstaat, das komplette Glücksspiel und obendrein noch die Müllabfuhr kontrolliert.

Gewaltbereitschaft und tiefe Verzweiflung

Im Film war sein Name Tony Soprano. Er war der Chef der Mafia von New Jersey, ein rücksichtsloser Killer, der einen Cousin zu Tode prügelt, weil er das geliebte, aber verstorbene Rennpferd des Bosses nicht genügend bedauert hatte. Gleichzeitig war Tony ein strenger, aber liebevoller, fürsorglicher Vater. Für ihn war es normal, daß er am Morgen bündelweise Schmiergelder zählte, nach dem Mittagessen seine Frau betrog und abends in der Schulaula gerührt seiner Tochter zuhörte, die dort Kunstlieder vortrug.

Es war eine komplexe Rolle in der nach Ansicht vieler Kritiker besten US-Fernsehserie. Gespielt wurde sie von James Gandolfini, einem bulligen Schauspieler italienischer Abstammung, der dieser Rolle genau die richtige Mischung aus Verletzlichkeit, Humor, Gewaltbereitschaft und tiefer Verzweiflung gab. Vergangene Woche ist Gandolfini mit nur 51 Jahren in Rom gestorben, wo er in seinem Hotelzimmer einem Herzinfarkt erlag.

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