© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Hayden Chisholm entdeckt die singenden Deutschen und dreht einen Film darüber
Der Klang des Landes
Thomas Paulwitz

Von „volksdümmlicher“ Musik aus dem „Mutantensta-del“ bis zur neuen „Volxmusik“, wie sie etwa die Biermösl Blosn und LaBrassBanda spielen: so weit reicht die Bandbreite heimatlicher Klänge in Deutschland. Mitten in die Gemütslage der singenden Deutschen, die in ihrer Identitätsverunsicherung zwischen altem, neuem oder gar keinem Heimatbewußtsein pendeln, ist Hayden Chisholm eingedrungen. Mit der Unbefangenheit eines Außerirdischen, der einen fremden Planeten besucht, beobachtet der neuseeländische Musiker die singenden Deutschen. Weil er unbelastet und als neugieriger Fremder durch die Lande reist, ist er frei von Hemmungen und Komplexen, mit denen so manche Deutsche zu kämpfen haben, wenn sie sich mit ihrer eigenen Kultur beschäftigen und auseinandersetzen.

Chisholms Dokumentarfilm „Sound of Heimat. Deutschland singt!“ ist seit kurzem auf einer DVD-Silberscheibe erhältlich. Bereits der Filmtitel verdeutlicht die Zerrissenheit in der deutschen Volksmusik: Mit „Heimatklängen“ – so müßte man den Titel wohl in richtiges Deutsch übersetzen – verbinden viele auf Anhieb eher etwas Altbackenes, Betuliches, Peinliches. Und nur wenige empfinden bei diesem Wort auf der Stelle Gemütlichkeit, Heimatverbundenheit, Herkunftsstolz. Mit der Flucht ins Denglische versuchen verunsicherte Zeitgenossen im allgemeinen, ihre vorgebliche Weltläufigkeit zu betonen; und zeigen doch gerade damit ihr Hinterwäldlertum. Mit der Wortschöpfung „Sound of Heimat“ bemühen sich die Produzenten offenbar, sich von der schenkelklopfend-altbackenen Art eines Musikantenstadels abzusetzen. Doch wäre das gar nicht nötig.

Gibt es deutsche Musik abseits des Musikantenstadels? Wie klingt Deutschland? So lauten denn auch die Kernfragen des Films. Chisholm reiste quer durch Deutschland. Musik liegt dem 1975 geborenen Neuseeländer im Blut. Als er acht ist, ermutigen ihn seine Eltern, Klavierunterricht zu nehmen. Zwei Jahre später übt er sich bereits im Klarinettenspiel. Schon früh wird Chisholm zum Weltenbummler. Mit 17 kommt er in die Schweiz, bald darauf beginnt er ein Saxophon-Studium in Köln, danach führen ihn Konzertreisen durch Asien, Afrika, Nord- und Süd-amerika und Ozeanien. Die Verbindung zu Deutschland reißt jedoch nicht ab. Er lebt und komponiert hier. Der Frankfurter Schriftsteller Martin Mose-bach macht ihn im Jahr 2000 mit der Aktionskünstlerin Rebecca Horn bekannt, mit der er seither zusammenarbeitet.

Als Hauptdarsteller in „Sound of Heimat“ spielt, singt und tanzt Chisholm mit dem Leipziger Gewandhauschor, mit der Jodel-Lehrerin Loni Kuisle im Allgäu, mit dem „Singenden Holunder“ in einer Kölner Kneipe. Er spürt dabei echte, lebendige Volksmusik auf – die ganz und gar nicht dümmlich ist.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen