© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Haltungsnote
Claudia im Keller
Christian Rudolf

Deutschland leidet noch immer unter der Flut. In ganzen Siedlungen steht die braune Brühe bis Unterkante Wohnzimmerdecke, viele Deutsche sind ruiniert, stehen vor dem Nichts. „Braune Brühe.“ Eigentlich das Stichwort für Claudia Roth. Und tatsächlich, sie wollte sich „für einige Tage informieren über die aktuelle Situation“. Aber doch nicht über die Flut bei uns. Da gibt’s ja nichts zu empören. Das Elbwasser der Menschenrechtsverletzung zu zeihen – die Pirouette ist selbst der schrillen Grünen zu steil.

Nein, Roth war in Istanbul, in der Türkei, ihrer „zweiten Heimat“. Nach dem Rechten sehen. Da geht’s zur Zeit ja auch hoch her. Mit reichlich Gelegenheit, „Repression“ anzuprangern, „Demokratie“ einzufordern, affektiert Wut und Entsetzen rauszulassen.

Roth war vergangenen Sonntag mit Begleitern am Taksim-Platz. Hat beobachtet („friedliche, fröhliche Abendstimmung“), hat demonstriert. Mit Türken, die die Nationalhymne sangen und Atatürk-Fahnen schwenkten. Für einen laizistischen Staat, gegen Islamismus. Komisch, bei uns kann sie die Landesfahne nicht verknusen, das Deutschlandlied kommt ihr nicht über die Lippen, und bei Moscheebauprojekten hat sie immer die Maus klickbereit am „Gefällt mir!“-Button.

Aber sei’s drum. Denn dann griff die Polizei durch. Nach Landessitte robust mandatiert, räumte sie das Areal mit Tränengas. Mit anderen floh Claudia in den Keller ihres Fünf-Sterne-Hotels, bekam aber doch eine Ladung ab. Da saß sie nun mit roten Augen – und lief alsbald zur Hochform auf: „Das war Krieg gegen die Menschen hier!“ Herrlich! Eine echte Roth! Unvergessen, wie sie 2008 vor Kameras zum besten gab: „Mir gefällt in der Türkei Sonne, Mond und Sterne.“ Der lange von ihr und ihrer Partei gehätschelte Premier Erdoğan, der gefällt ihr nun nicht mehr. Der ist ja gegen die Menschen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen