© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Nicht nur in Schottland
Aus der Leidenschaft für Dudelsackpfeifen einen Beruf gemacht / Schäfer hüteten damit einst ihre Schafe
Taras Maygutiak

Sein eigener Chef sein, in aller Ruhe für sich alleine arbeiten – so mag es der Dudelsack- und Drehleierbauer Helmut Moßmann (63) aus dem beschaulichen Schwarzwalddörfchen Schuttertal. Daß aber von Zeit zu Zeit Journalisten oder Kamerateams vom Fernsehen bei ihm in der Werkstatt vorbeischauen, kennt er. Dudelsack- und Drehleierbauer sind dünn gesät. Neben Moßmann gibt es noch Karl M. Riedel in Burghausen an der deutsch-österreichischen Grenze, etwa 35 Kilometer vom Chiemsee entfernt. „Seien Sie mir nicht böse, wenn ich nebenher schaffe“, meint Moßmann, während er ein Holzstück bearbeitet, das später Teil eines Blasebalgs einer Sackpfeife wird. Neben ihm liegt noch ein ganzer Stapel dieser Holzteile. Und dann beginnt er zu erzählen, wie er zunächst zu dem Hobby kam, das zur Leidenschaft und später zum Beruf wurde.

Eigentlich ist Helmut Moßmann gelernter Maschinenbauer. In seinem alten Beruf arbeitet er schon lange nicht mehr, aber die erlernte Präzision und Genauigkeit des Maschinenbauers seien gerade auch beim Instrumentenbau sehr von Vorteil, erzählt er: „Dafür kann ich keinen Gartenzaun verschalen.“ Ende der siebziger Jahre verspürte er den Wunsch, einen Dudelsack zu besitzen, erinnert sich Moßmann. „Es gab in diesen Jahren eine Rückbesinnung, eine Renaissance, in der sich junge Leute gefragt haben: Mensch, was war da damals?“ beschreibt er das Lebensgefühl, das er damals verspürt habe: „In dieser Zeit der Rückbesinnung habe ich viele interessante Leute kennengelernt.“

Einer dieser interessanten Leute war Tibor Ehlers aus dem rund 25 Kilometer entfernten Gengenbach. Ehlers, der ursprünglich aus der Zips, einer deutschen Sprachinsel in der Slowakei, kam, brachte ihm die Sackpfeifeninstrumente endgültig näher, erzählt Moßmann. „Die Leute denken immer an den schottischen Dudelsack. Der ist eben am bekanntesten“, sagt Moßmann. Er begann jedoch das Thema „Sackpfeifen“ zu vertiefen, bereiste Regionen in ganz Europa, wo solche Instrumente zu Hause sind und fing auch im süddeutschen Raum in Kirchen, Museen, Kirchenbüchern und Archiven zu graben an.

Er fand eine ganze Menge. Seine Erkenntnis: Vom späten Mittelalter im 15. Jahrhundert bis Ende des 19. Jahrhunderts waren unterschiedliche Varianten der Sackpfeifen hierzulande gang und gäbe. Besonders in Erinnerung ist Moßmann ein alter Mann aus dem Schwäbischen geblieben, den er vor über 20 Jahren auf einem Mittelalterfest kennengelernt hatte. Der war ganz aufgeregt, als er die Sackpfeife sah, so Moßmann: „Er hat mir glaubhaft versichert, daß in seiner Kindheit, Anfang des 20. Jahrhunderts, noch Schäfer mit den gleichen Sackpfeifen unterwegs waren.“

Solche Erzählungen, Gerichtsberichte aus vergangenen Jahrhunderten, bei denen beispielsweise von Wirtshausprügeleien zu Klängen eines Sackpfeifenspielers die Rede ist, Chronikberichte zahlreicher Ortschaften oder auch Passagen in dem Grimmelshausen-Roman „Simplicius Simplicissimus“ sind Belege für die weite Verbreitung der Instrumente. Doch wie eine solche Sackpfeife von Anno dazumal rekonstruiert wird, mußte Moßmann anderweitig herausfinden. Pläne dazu gab es nämlich nirgends. Die, die er heute für seine Instrumente hat, fertigte Moßmann selbst. Und wie das ging? Er ließ sich von Kupferstichen, Gemälden, alten Zeichnungen und Drucken inspirieren – und sogar von Brunnenfiguren, die er in Endingen am Kaiserstuhl entdeckte. Über die Jahre hat er dann doch einiges gefunden, erzählt er.

Seit 1988 lebt Moßmann vom Instrumentenbau. Wert legt er darauf, daß ausschließlich heimische Hölzer verarbeitet werden; häufig das Holz vom Pflaumenbaum. Zu seinem Sortiment gehören alle ehemals im deutschen Sprachraum verwendeten Sackpfeifentypen wie Schäferpfeife, Schaforgel, Hümmelchen, Großer Bock nach Praetorius und der Böhmische Bock. Weitere Instrumente, die Moßmann ebenfalls herstellt: Drehleiern, Schalmeien, Schwegelpfeifen und Trommeln. Wie man die Instrumente bespielt, kann man übrigens bei Moßmann erlernen.

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